Nach vielen Wochen, in denen ich immer wieder krank war und mich etlichen Arztbesuchen unterzogen hatte, zweifelte ich oft daran dieses Jahr bis zum Ende weiterzuführen. Wenn man wochenlang im Bett liegt, während die anderen jeden Tag fröhlich von der Arbeit kommen, Spanisch immer besser und besser sprechen und du selbst nur von einer Krankheit zur anderen hüpfst, dann ist das vielleicht nachvollziehbar. Doch dann wurde ich so langsam wieder gesund. Natürlich war es am Anfang schwer wieder in die Arbeit reinzukommen, doch es war so schön die Kinder endlich wiederzusehen. Und ich hatte noch einen anderen großen Schritt gewagt: einen Wechsel. Ich würde nicht mehr im Hogar Don Bosco arbeiten sondern in der Granja Moglia, einem Bauernhof in der Nähe von Montero, in dem ca. 40 Kinder aus dem Hogar Don Bosco für zwei Jahre untergebracht werden. Mit meinem Arbeitsplatzwechsel wechselten auch einige Kinder aus dem Hogar auf die Granja, wodurch ich einige Jungs schon kannte. Der Arbeitsbeginn war viel einfacher und herzlicher als ich es mir vorgestellt hatte. Bereits nach wenigen Tagen hatte ich mich eingelebt. Die Granja liegt mitten im Grünen und beherbergt neben den Kindern zahlreiche exotische Tiere wie Affen oder Tucane. Die Kinder haben hier viel Freiraum und sind den ganzen Tag draußen im Grünen.

Anders als vorher im Hogar Don Bosco wohne ich mit meinen Mitvolontären nun direkt hier in der Granja. Das dies nicht immer so vorteilhaft ist, liegt auf der Hand. Man hat die Kinder immer um sich und bekommt nicht den nötigen Abstand und die Erholung. Allerdings ist es auch eine große Chance immer für die Kinder da zu sein. Trotz fester Arbeitsschichten arbeite ich auch gerne mal länger und spiele in meiner Freizeit mit den Kindern Fußball, Karten oder Ukulele. So nehmen mich die Kinder auch ganz anders wahr. Ich bin nicht mehr die Volontärin die morgens um 7 kommt und nachmittags um 3 wieder geht, sondern schlichtweg immer da. Bei Schrammen und Kratzen helfen wir Volontäre nicht selten im Krankenzimmer mit, übernehmen oder helfen in der Küche oder putzen mit. Auch wenn meine Jungs leider viel zu selten Bitte und Danke sagen, denke ich doch, dass sie dankbar dafür sind, dass wir immer da sind, wenn sie uns brauchen. Mehrmals täglich klopft jemand an unsere Tür. Natürlich ist das langfristig betrachtet schon eine starke Belastung. Wir sind dauerhaft präsent und selbst in unserem winzigen, dunklen Zimmer hört man zu jeder Tageszeit Kinder. Dennoch liebe ich es. Und an Tagen, an denen ich dann doch mal zu viel von den Kindern habe, suche ich mir meine Ruhe in der umliegenden Landschaft.

Meine Aufgaben:

Mit meinem neuen Hogar kam natürlich auch ein komplett neuer Stundenplan auf mich zu. Wenn ihr meinen vorherigen Artikel gelesen habt, werdet ihr schnell feststellen, dass mein Aufgabenbereich nun ein ganz anderer ist. Dass Klamotten sortieren auch mal zum Volontärsein dazu gehört will ich nicht bestreiten, aber hier in der Granja mache ich ehrlich gesagt eher das, was ich unter Volontärsarbeit verstehe. Aber lest selber:

Ich stehe morgens vor den Kindern auf, sodass ich gemeinsam mit den Erziehern die Kinder um 7 wecken kann. Während ich Zahnpasta und Klopapier austeile, erledigen die Kinder ihre täglichen Aufgaben, welche es auch zu kontrollieren gilt. Nach einer morgendlichen Einführung in der Kapelle beginnt das Frühstück. Hier helfe ich beim Verteilen des Essens. Eine Aufgabe, die deutlich einfacher klingt als die tatsächlich ist, denn hier versucht jeder mit seinen Tricks ein Brötchen mehr zu erschwindeln. Danach müssen die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Ist meine Hilfe dabei nicht nötig, gebe ich den Kindern, die ihre Hausaufgaben schon erledigt haben Gitarren- und Ukulelenunterricht. Danach spiele ich entweder mit den Kindern, welche Freizeit haben oder helfe, falls nötig in der Küche mit. Um 12 beginnt das Mittagessen. Danach bereiten sich die Kinder für die Schule vor. Hierbei muss ich Shampoo, Klopapier und Zahnpasta austeilen und gleichzeitig erledigte Oficios abhaken bzw. kontrollieren. Kurz vor 14 Uhr fahren die Kinder dann in die Schule. Bleiben Kinder zuhause kümmere ich mich bis 18 Uhr um sie. Ansonsten fallen jegliche Gartenarbeiten oder ähnliches an. Kurz vor 18 Uhr holen wir die Kinder aus der Schule ab. Für mich ist das der schönste Zeitpunkt am Tag. Die Kinder stürmen aus der Schule, voller Freude uns zu sehen und erzählen alle durcheinander, was sie in der Schule alles erlebt haben und zeigen nicht selten am besten mitten auf der Straße, welche neuen Hausaufgaben sie aufbekommen haben. In den 10 Minuten Rückweg finde ich mich jeden Tag aufs Neue in einem Wagen voller fröhlicher, herumspringender Kinder wieder. Angekommen in der Granja müssen die Schuluniformen eingesammelt und die Sportsachen umgezogen werden. Danach machen die Kinder Sport und entweder spiele ich mit oder gebe für diejenigen, die keinen Sport machen wollen oder krank sind erneut Gitarren- und Ukulelenunterricht. Bis kurz vor 20 Uhr ist mein Aufgabenbereich also vielfältig, je nach dem was gerade gebraucht wird. Danach bereite ich das Abendessen vor. Jetzt nicht das was ihr denkt. Natürlich koche ich nicht sondern teile nur das von der Köchin am Vormittag zubereitete Essen auf die 40 Teller und verteile dieses an die Jungs (das dauert länger als man vermuten mag). Nach dem Essen muss die Küche gesäubert werden. Ist dies geschafft schließe ich mich der jeweiligen Abendaktion an. Meisten werden wieder Hausaufgaben gemacht, manchmal wird aber auch noch Fußball oder andere Aktivitäten angeboten. Abends helfe ich manchmal dann noch beim ins Bett bringen, sodass mein Tag dann sehr spät endet.

Für alle, die sich jetzt fragen ob ich wirklich von 7 Uhr morgens bis tief in die Nacht hinein arbeite: Ein Volo arbeitet hier immer in Schichten, entweder morgens bis zum Schulbeginn oder danach. Nichts destotrotz ertappe ich mich nicht selten dabei, wie ich am Ende doch den ganzen Tag gearbeitet habe… man ist ja immer da.