Frohe Weihnachten alle zusammen!
Auch, wenn es sich nur bedingt nach Adventszeit angefühlt hat, haben wir am 24. und 25. Weihnachten gefeiert. Aber vielleicht beginne ich zeitlich lieber etwas früher. Seit dem letzten Blogeintrag ist nämlich eine Menge passiert.
Beispielsweise waren wir alle zusammen in Samaipata, einem kleinen Ort, der drei Stunden von Santa Cruz mit dem Trufi, also Sammeltaxi, entfernt ist. Es ist ein sehr beliebter Ort für die Cruceños, also die Einwohner Santa Cruzes, um mal raus aus der Stadt zu kommen. Nachdem wir in unserer Unterkunft, dem „Landhaus Samaipata“, welches von einer Deutschen geleitet wird, gefrühstückt haben, sind wir dann das Dorf erkunden gegangen. Es war auch für uns mal ganz schön, ein bisschen durchzuatmen und die Ruhe zu genießen. Nachmittags haben wir dann eine ehemalige Inka-Stätte besucht; sie ist der größte gravierte Fels der Welt. Die Wolken verhinderten zwar den Ausblick, sorgten dafür aber für eine mystische Stimmung. Am nächsten Tag wollten wir dann wandern gehen. Da das Wetter dann aber nicht gut genug war, haben wir dann nur eine Café-Tour gemacht und sind danach dann doch noch etwas spazieren gegangen, um auf den Genuss des dort liegenden sogenannten „Ellenbogens der Anden“ zu kommen. Wir werden auf jeden Fall nochmal dorthin gehen, um den offiziellen Wanderweg zu machen, da die Landschaft schon sehr besonders war

Im November waren außerdem noch Taufe, Kommunion und Konfirmation von den Jungs, wobei die Konfirmation, also die Firmung, am größten ausgefallen ist. Bei den Gottesdiensten ist mir dann zum ersten Mal so richtig aufgefallen, wie sehr ich die Jungs als „meine“ Jungs bezeichnen würde und wie stolz ich auf jeden Einzelnen war. Es bleibt dabei, dass ich mich richtig wohl im Projekt fühle und mich auf die Arbeitstage freue und meist abends auch glücklich nach Hause komme.
Gerade aber auch mit den beiden anderen Gruppen mit den jüngeren Kindern wird man immer vertrauter. Neulich haben wir zum Beispiel einen Ausflug mit dem ganzen Hogar und dem Mano Amiga zu einem Eco-Resort gemacht. Dadurch, dass Victor leider erkrankt war, bin ich für den Tag dann so ein bisschen in seine Rolle geschlüpft und durfte mich um die kleinen San Franciscos kümmern, was mir total Spaß gemacht hat. Ich durfte auch von ihnen eine sehr große Wertschätzung erfahren und fand es sehr amüsant zu sehen, wie sie den Park erkundet haben. Trotzdem braucht es auch nicht allzu viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Kleinen drauf sein können, wenn sie mal keine Lust auf beispielsweise ihre Oficios, also ihre Putz-/Aufräumarbeit, haben.
Ich hab aber auch erfahren dürfen, dass selbst die 15-Jährigen noch eine zärtliche, „weiche“ Seite haben, und so habe ich zweimal eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen dürfen. Ich hab dann zum Beispiel “Hänsel und Gretel” auf Spanisch vorgelesen, was ich sehr lustig fand.
Was außerdem Freude bereitet hat, sind die Adventskalender, welche wir Freiwilligen für unsere Kids vorbereitet haben. Ich hab meine Tüten selbst, beziehungsweise auch mal mit den Jungs, gebastelt. Victor hat Tüten gekauft und diese dann hervorragend verziert. Dann haben wir sie mit Süßigkeiten befüllt und voller Vorfreude, aber auch Nervosität, im Hogar platziert. Am Tag darauf musste ich dann relativ schnell bemerken, dass es nicht funktioniert, den Kalender einfach so im Klassenzimmer hängen zu lassen. Nach fünf Minuten waren schon zwei Tüten demoliert und so hab ich den Kalender dann abgehangen und in einem verschlossenen Raum deponiert. Nachdem ich einmal das System vom Adventskalender erklärt hab, lief der Kalender auch richtig gut und hat den Kindern viel Freude bereitet.
Ich habe auch kurz vor den Ferien meinen ersten Englisch-Unterricht abgehalten. Für so 25 Minuten habe ich einer kleinen Gruppe von meinen Jungs dann versucht, die englische Sprache näherzubringen. Durch die sehr spontane Ferienplanung und eine dezimierte Gruppengröße (viele sind über die Ferien bei ihren Familien) gab es keinen weiteren Englischunterricht. Mal sehen, ob es in Zukunft nochmal dazu kommt.
Vor rund zwei Wochen waren wir auch das erste Mal im Kurzurlaub.
So sind wir Mittwochabends zum Busterminal in Santa Cruz gegangen, haben über kleine Umwege unsere Bustickets gekauft und sind dann nach zwanzig Stunden Reise (es wurde gerade mal eine richtige Pause gemacht) in La Paz, der Stadt mit dem höchsten Regierungssitz der Welt (auf ca. 3650), angekommen. Am Abend sind wir dann noch auf einen Weihnachtsmarkt gegangen und durch die etwas niedrigeren Temperaturen (so um die 12 °C) hat es sich zum ersten Mal ein ganz kleines bisschen nach Weihnachtszeit angefühlt. Dieses Gefühl war aber nur von kurzer Dauer, denn am Tag darauf, am Freitagmorgen, saßen wir schon wieder im T-Shirt im Garten der Residenz des deutschen Botschafters. In dieser waren wir im Rahmen eines Freiwilligentreffens eingeladen. Durch gemeinsame Gespräche und kleine Spiele haben wir dann viele andere deutsche Freiwillige kennengelernt, die allesamt ihren Freiwilligendienst in Bolivien leisten. Hier war es spannend zu sehen, in welcher Art und Weise sich die Städte, sowie aber auch die verschiedenen Aufgabenbereiche, unterscheiden. So gab es welche, die die Schuhputzer La Paz‘ unterstützen, aber zum Beispiel auch einen Volontär, der in einem Recycling-Projekt in Cochabamba tätig ist. So oder so bin ich immer noch von unserem Projekt am überzeugtesten. 🙂
Der Freitagnachmittag und der Samstag wurden dann dafür genutzt, die Stadt zu erkunden. Wir waren zum Beispiel beim Hexenmarkt oder auch beim Mondtal. Das Valle de la Luna, welches nur eine halbe Stunde von der Stadt entfernt war, ist durch jahrtausendelange Erosion entstanden und hat sehr überzeugt. Die Fotos sprechen, glaube ich, für sich.


Aber auch die Stadt an sich hat uns begeistert. Gerade die besondere Kessellage, welche ich natürlich aus Stuttgart schon kenne, verleiht der Stadt neben dem verschachtelten Straßensystem und den vielen Seilbahnen einen besonderen Charakter. Das Seilbahnsystem, welches vom umstrittenen Ex-Präsidenten Evo Morales im Jahr 2014 eröffnet wurde, umfasst 33 Kilometer Strecke und ist somit das größte städtische Seilbahnnetz der Welt. Es befördert täglich mehr als 300.000 Menschen von Ort zu Ort. Abschließend muss man aber noch erwähnen, dass das Bereisen der Stadt mit dem Risiko einhergeht, durch die Höhe zu erkranken. So haben wir alle die über 3000 Meter Höhendifferenz zwischen Santa Cruz und La Paz trotz Einnahme von Medikamenten gegen die Höhe zu spüren bekommen. Mich zum Glück nur mit Kopfweh und ständigem Druck auf den Ohren, Mariana beispielsweise aber mit starker Übelkeit und Fieber. Man sollte sich also lieber langsam an die Höhe akklimatisieren, bevor man das Abenteuer La Paz antritt.

Kurz vor Weihnachten sind dann für vier Tage keine Micros mehr gefahren, was daran liegt, dass die Treibstoffsubventionen aufgehoben wurden, wodurch man sich Geld einsparen möchte. Ab Januar wird außerdem der Mindestlohn von 2750 Bolivianos auf 3300 Bolivianos ansteigen. Das sogenannte „Dekret für das Vaterland“ soll einen Wendepunkt darstellen, birgt aber laut eines Artikels der gfbv („Gesellschaft für bedrohte Völker“) die „Gefahr sozialer Unruhen“. Gerade, weil viele Menschen in Bolivien im informellen Sektor tätig seien und sie dort nicht von der Mindestlohnanpassung profitieren können. Außerdem würden die Lebensunterhaltungskosten konstant ansteigen und im Verhältnis dazu würden die Ausgleichsmaßnahmen kaum von Wirkung sein. Schon jetzt haben sich in der letzten Zeit beispielsweise die Preise für Medikamente verdreifacht und es gibt enorme Lieferengpässe, sodass man kaum die Medikamente findet, die man vielleicht braucht. Es bleibt also spannend, zu sehen, wie sich die Lage hier entwickelt.
Der 24. Dezember war dann irgendwie schon besonders. Vormittags habe ich alle möglichen Leute angerufen und nachmittags habe ich mitgeholfen, alles für die Fete aufzubauen. Um 19 Uhr gab es dann einen Weihnachtsgottesdienst und danach haben alle Häuser, also das Hogar, das Mano und das Techo, zusammen zu Abend gegessen. Hier gibt es aber auch an den besonderen Anlässen einfach nur Hühnchen mit Reis, diesmal immerhin gelber Reis, was aber nochmals unterstreicht, dass die Küche hier eher mau ist. Um 0:00 Uhr haben Ingmar (ein neuer Volontär aus Deutschland von der gleichen Organisation), Mariana und ich auf dem zentralen Platz mit vielen anderen Leuten dann Feuerwerke beobachtet und gezündet. Das ist hier ein gängiger Brauch an Weihnachten.
Am 25. mussten wir Freiwilligen dann nach einem weiteren Gottesdienst für Programm sorgen, was aber nur bedingt funktioniert hat. Letztendlich kam es zu einer spontanen Tanzeinheit und zu viel Gelächter der Jungs über meine Tanzfähigkeiten. Am Abend haben wir im Volo-Haus dann unser Weihnachten gefeiert und die verschiedenen Gewohnheiten verbunden. Zuerst wurde gegrillt, dann Loriot geschaut, Gedichte aufgesagt und Lieder gesungen. Und dann gab es natürlich bei selbstgebackenen Plätzchen noch die Bescherung. Es war ein anderes, aber ein sehr schönes Weihnachtsfest.
Nachdem wir dann auch, aber mit weniger Feuerwerk, das neue Jahr feiern werden, gehen wir am 3. Januar alle ins Campamento. Für über zwei Wochen kommen die Jungs, die noch hier sind und über die Ferien nicht zu ihren Familien konnten, dann mal so richtig raus aus Santa Cruz. Ich bin schon sehr gespannt auf die gemeinsame Zeit mit den ganzen Kids und werde danach berichten, wie es war.
Nun aber erstmal einen guten Rutsch an alle. Verrückt, dass nun schon 2026 startet.
Liebe Grüße und bis bald,
Yannick
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