Hola, ¿qué tal?
Ich bin jetzt seit drei Wochen in Santa Cruz und mittlerweile kommt so langsam aber sicher eine Routine in den Alltag. Nachdem wir in den ersten Wochen Einblicke in die drei Einrichtungen, dem „Mano Amiga“, dem „Techo Pinardi“ und dem HDB (Hogar Don Bosco), bekommen haben, hat nun die „richtige“ Arbeit begonnen.
Bevor ich auf meinen neuen Alltag genauer eingehen werde, möchte ich nun einmal eine Einführung in das Hogar Don Bosco, also dem Don Bosco-Heim geben. Das Hogar wurde 1991 gegründet und bietet seitdem ein Zuhause für Waisenjungen und Jungen, deren Umgebung zu Hause nicht als kindgerecht erachtet wird. Dies kann zum Beispiel auf exzessiven Alkohol- oder Drogenkonsum im familiären Umfeld zurückzuführen sein. Einer der Mitgründer, Vater Octavio, ist immer noch täglich im Hogar und zaubert den Kindern durch seine Präsenz oftmals ein Lächeln aufs Gesicht und sorgt außerdem dafür, dass nach der Philosophie Johannes Boscos gelebt wird (auf diese komme ich vielleicht in einem anderen Blogeintrag zurück), was zu einem friedlichen Zusammenleben führt. Zum aktuellen Zeitpunkt dürften um die 100 Jungs, die 6 bis 18 Jahre alt sind, im Hogar wohnen, während davon 46 in der Gruppe sind, welche ich betreuen darf. Ihnen wird durch eine Ärztin, eine Psychologin, Köchinnen und den Betreuern die Chance gegeben, in einem familiären Umfeld aufzuwachsen und weitergebildet zu werden. Auf diesem Weg darf ich sie ein Jahr lang begleiten und probiere, mich so gut wie möglich in das große Familiengebilde einzufügen.
Nun aber zu meinem Tagesablauf…
Samstags bis mittwochs bin ich von 13.30 Uhr bis 21.30 Uhr im Hogar vorzufinden, während wir uns donnerstags und freitags erholen können. Dieser Arbeitsplan gewährt mir, die Vormittage auf unterschiedliche Weise zu gestalten. Oft gehe ich zum Markt, um verschiedenste Sachen zu kaufen. Hier findet man alles, von Sekundenkleber über Klamotten bis hin zu den besten Früchten. Wir haben auch schon „unsere“ Obst- und Gemüsefrau gefunden, welche uns bei jedem Einkauf Bananen dazuschenkt. Wenn es gerade nichts zu kaufen gibt, erkunde ich mit Mariana die Umgebung. Victor und Nico sind zu der Zeit dann schon am Arbeiten, da ihre Schichten im Hogar bei den jüngeren Kindern (V) beziehungsweise im „Techo“ (N) morgens beginnen. Beim Verlassen unseres Hauses kommt einem neben einer rauchig-süßlichen Duftwolke der naheliegenden Grillstände oft ein Pfeifen entgegen, welches vom uns benannten „Pfeifenmann“ kommt, der sich des Öfteren (ohne erkennbaren Grund) vor unserer Tür aufhält. Dann geht es in die grünen Straßen Santa Cruz‘, der Stadt, welche aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolgs eine der größten Einwohnerzunahmen ganz Südamerikas aufweist.
Nachdem ich dann zu Mittag gegessen habe (wahrscheinlich ein Avocado-Rührei-Sandwich) und eine kleine Siesta gemacht habe, gehe ich mal mit mehr und mal mit weniger Vorfreude um 13.28 Uhr die 100 Meter zum Hogar die Straße hinunter. Dort gilt es, sich dann erstmal einen Überblick zu verschaffen, da die Jungs zu der Zeit gerade Freizeit haben. Manche kicken, manche spielen Karten und manchmal schauen die Jugendlichen auch Filme. Unter der Woche beginnen dann für meine Gruppe um 14 Uhr die „Tareas“, also die Hausaufgaben. Ich betreue und unterstütze die „Carlos Acutis“, die Ältesten im Hogar. Sie sind zwischen 13 und 17 Jahre alt und befinden sich in den letzten Schuljahren. Außer den Carlos Acutis gibt es noch die Miguel Magone- und die San Francisco de Asis-Jungs, welche sich im Mittelstufen-Alter beziehungsweise im Unterstufen-Alter befinden. Sie gehen nachmittags zur Schule, dem „Coliseo Don Bosco Centenario“, welches direkt an das Projekt angebunden ist. Neben den Jungs aus dem Hogar besuchen aber auch Kinder von außerhalb die Schule.
Um den Jugendlichen eine bessere Unterstützung zu gewährleisten, habe ich einen eigenen kleinen Raum mit einer Tafel und einem Computer, in welchem ich bei Mathe, Naturwissenschaften oder anderen Fächern zwischen 14 und 16 Uhr zur Hilfe stehe. Die beste Weise der Unterstützung ist aktuell aber noch mein Handy, da es oft Inhalte zu recherchieren gibt und die Jungs kein Handy haben oder dieses nur sonntags für zwei Stunden benutzen dürfen. Das Handy bringt mich aber auch oft in eine Zwickmühle zwischen Wünschen der Jungs, warum sie mein Handy kurz haben müssten, und der Richtlinie der Hogar-Leitung, dass mein Handy meine Hosentasche nach 16 Uhr doch bitte nicht mehr verlassen solle. Hier fällt es mir noch schwer, einen Weg zwischen einer Art Freund und einem Mitarbeiter des HDBs zu finden.
Dies klappt dafür bei der Freizeitgestaltung schon umso besser. Neben der Aufgabe, einen Blick auf die Jungs zu haben, spiele ich oft mit Fußball oder Basketball und je nach Tagesform kann ich dort auch ganz gut mithalten. Oft dürfen die Jungs auch Filme oder YouTube-Shorts schauen. In der Zeit suche ich mir dann Kinder auf dem Gelände, welche sich anderweitig beschäftigen, und helfe zum Beispiel noch beim Wäschewaschen, um mich nützlich zu machen. Oder ich lese. Dafür habe ich mir nun auch ein spanisches Buch gekauft, in welchem ich Wörter anstreiche, welche ich nicht verstehe, um sie dann später zu Hause nachzuschauen. So beschleunige ich ja vielleicht den Prozess, das Spanisch der Kinder besser verstehen zu können.
Wenn die Kinder gerade nicht Freizeit haben, dann müssen sie sich wahrscheinlich gerade um den Haushalt kümmern. Dann werden die Zimmer etwas aufgeräumt oder es wird der ganze Müll und die abgefallenen Blätter auf dem Gelände zusammengefegt und auf den Kompost geworfen. Wie auch sonst in Santa Cruz werden die Mülleimer von den Jungs eher als Deko betrachtet, weswegen überhaupt erst so viel Müll überall herumliegt. Naja, sie müssen es ja wenigstens selbst wegräumen.
Dienstags gilt es nach den Hausaufgaben die Wäsche zu waschen. Dann ertönt auf dem Hogar lauter lateinamerikanischer Rap und Hip-Hop, welcher die Jungs beim Schrubben ihrer Kleidung begleitet. Die Kleidung ist größtenteils durch Spenden zu den Jugendlichen gekommen, da diese nicht die finanziellen Mittel haben, sich eigene Kleidung zu kaufen. Unter den Kleidungsstücken tummeln sich auch viele Barcelona- und Real Madrid-Trikots. Die große Rivalität der beiden spanischen Vereine war ein Grundbaustein der Konversationen in den ersten Tagen hier und wurde durch die Frage, ob ich denn Messi- oder Ronaldo-Fan sei, geschmückt. Das Gleiche habe ich auch in einem Blog einer Mitvolontärin aus Indien gelesen, was zeigt, wie aktuell und verbreitet die Debatte auf der Welt noch ist.
Nachdem es dann um 19 Uhr Abendessen gab, sind danach noch eineinhalb Stunden Zeit, bis die Jungs ins Bett gehen müssen. In der Zeit duschen sie dann und packen ihre Schulsachen zusammen, damit sie am nächsten Morgen um kurz vor acht stressfrei zur Schule gehen können. Je nachdem, welcher Tag gerade ist, können sie auch das Fitnessstudio auf dem Gelände nutzen, Tanz-Choreografien von einem Tanzlehrer erlernen oder am Basketballtraining eines Mitvolontärs mitwirken (der Einzige, der abgesehen von uns Deutschen gerade hier wohnt und arbeitet). Am Wochenende geht es abends noch mal ins „Teatro“, dem Ort wo die Kids die Filme schauen. Um kurz vor neun ist dann, egal an welchem Tag, Schluss und die Jugendlichen begeben sich in die Schlafsäle, in welchen sie sich dann insgesamt zu siebt aufs Ohr legen. Das läutet dann meinen Feierabend ein, welchen ich versuche mit den anderen Freiwilligen zu verbringen, um sich über die neuen Erlebnisse auszutauschen.
Ehrlich gesagt gibt es noch unzählige Kleinigkeiten, welche mir während des Schreibens eingefallen sind, aber es muss ja auch noch Content für die nächsten Blogeinträge geben :). Außerdem bin ich ja gerade erst seit zwei Wochen hier, von denen eine Woche wenig repräsentativ für eine normale Woche bei den Jungs war, da wir letzten Montag, Dienstag und Mittwoch Ausflüge unternommen haben. Montags waren wir bei der größten Wirtschaftsmesse Boliviens, dienstags sind wir 40 Minuten zu einem Park gelaufen um dort Sport zu betreiben und Mittwoch abends, dem Feiertag des 24. Septembers, sind wir in das Stadtzentrum gelaufen, um mit vielen anderen Menschen den Beginn der bolivianischen Unabhängigkeitsbewegung (1810) in Santa Cruz zu feiern. Vielleicht gehören diese Art von Besonderheiten wie die Ausflüge aber auch ganz normal zum Alltag im Hogar dazu, was mich natürlich freuen würde.
Jetzt aber noch einmal ein ganz anderes Thema: Wenn man an den südamerikanischen Kontinent denkt, vielleicht ja direkt an Bolivien, dann kommen einem eventuell neben vielen anderen Assoziationen Bilder der wunderschönen Natur in den Kopf, welche sich hier offenbaren soll. Nun kann ich vielleicht schon etwas Leben in die Gedankenwelt einhauchen…. Um 13 Uhr haben wir uns mit zwei Micros auf den Weg an den äußersten Teil der Stadt gemacht, um von dort eineinhalb Stunden zwischen irgendwelchen abgelegenen Ranches auf sandigem Boden zu dem bisherigen Highlight der drei Wochen zu laufen. Aus dem Nichts türmen sich im Nationalpark von Lomas de Arena riesige Sanddünen auf, welche einen kurz denken lassen, dass man gleich eine Wüste betreten würde. Oben auf den Sanddünen wurde man von einem brausenden Wind empfangen, der den Sand an den Beinen und Armen wie Schmirgelpapier reiben ließ. Wir sind dann erst zu einer kleinen Lagune gelaufen und danach noch zu einem Gewässer (s.u.) weitergezogen, welches die überwältigenden Eindrücke verstärken sollte. In der kleinen Lagune haben wir dann auch gebadet, was trotz der wahrscheinlich hohen Bakterienlast ohne weitere Folgen bleiben sollte. Nach dem Sonnenuntergang haben wir uns dann auch auf den Heimweg gemacht.



Viele Grüße und bis zum nächsten Mal
Hier noch der Spendenlink um das Hogar zu unterstützen: https://misionessalesianas.org/donar-ahora/
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