Vom Beinahe-Fauxpas

Letztens war ich mit Jezuela und einem unserer Guards auf Besuch bei unserem verunfallten Mitarbeiter. Er liegt im Moment arbeitsunfähig zu Hause im Bett. Es war also ein Krankenbesuch. Wie man das eben so macht, bringt man natürlich etwas mit. Was ich nicht wusste, war, dass man zu einem Krankenbesuch ganz normale Nahrungsmittel mitbringt, also zum Beispiel Säfte und etwas zu essen. Schokolade aber ist den Geburtstagen vorbehalten. Was hatte ich gekauft? Natürlich Schokolade! Denn bei uns bringt man doch typischerweise Schokolade mit, ein Saft würde etwas verdutzt in Empfang genommen werden.

Jezuela hat es zum Glück noch früh genug gemerkt und hat mir gesagt, dass man zum Krankenbesuch keine Schokolade mitbringen kann. Ich war erstmal ziemlich verdutzt, aber es ist logisch: Wer hier krank ist, kann nicht arbeiten, kann also kein Geld verdienen um seine Existenz zu sichern. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es eben keine Krankenversicherung. Daher ist ein Krankheitsfall existenzbedrohend – und das Einfachste, womit man helfen kann, sind richtige Lebensmittel.

Und was mache ich jetzt mit der Schokolade?

Nachdem wir das Haus des Verunfallten wieder verließen, war da also noch diese Schokolade in meiner Jackentasche. Jezuela und der Guard lehnten mein Angebot ab, sie gemeinsam zu verspeisen, deshalb hatte ich sie noch immer, als ich ins Taxi stieg, um zurück nach Don Bosco zu fahren. Der Taxifahrer konnte sogar Deutsch, da er eine Zeit lang im deutschsprachigen Raum gearbeitet hat. Er erzählte mir, dass er damals Dachdecker war, aber hier jetzt als Taxifahrer arbeiten muss. Dank Jezuela weiß ich, dass die Taxifahrer hier sehr gering bezahlt werden und es kaum zum Überleben reicht. Also ließ ich ihn am Ende der Fahrt das Wechselgeld behalten.

Und dann war da ja noch die Schokolade, die ich eigentlich zum Verschenken gekauft hatte. Sie allein in meinem Zimmer essen wollte ich nicht und die Salesianer sind auch nicht sie größten Schokoladenfans. Also erklärte ich ihm kurzerhand, warum ich sie übrig hatte und drückte sie ihm in die Hand. Er freute sich wahnsinnig – er hatte fünf Kinder und eine Frau zu Hause, denen er damit eine große Freude machen konnte. Aus lauter Dankbarkeit schrieb er die Nummer seines Taxis auf die Visitenkarte des Taxiunternehmens und gab sie mir. Wenn ich wiedereinmal ein Taxi bräuchte, könne ich nach speziell diesem Taxi fragen und er würde innerhalb von ein paar Minuten kommen, um mich zu fahren. Jetzt habe ich also quasi meinen persönlichen Taxifahrer. Und das dank einer Schokolade und ein bisschen Wechselgeld. Damit wären wir wieder beim Thema meines vorherigen Beitrags: Kleine Gesten.

Ich hoffe, ich konnte euch mit dieser kleinen Geschichte erfreuen!

Liebe Grüße, eure Bettina

Eine kleine Geste

Winterspiele

Hat euch auch schon einmal ein Kind damit überrascht, wie es sich verhalten hat? Mich jedenfalls schon. Während der Winterspiele habe ich Folgendes erlebt:

Das Spieleprogramm war schon um. Ich verließ gerade die Aula und lief an einem kleinen Mädchen vorbei, das Fotos an der Flurwand anschaute. Da die meisten Kinder jeden Tag kommen, sagte ich „Shihemi!“, also „Wir sehen uns!“, obwohl ich sie nicht wirklich kannte. Meine Hauptaufgabe ist es nämlich, Spiele vorzubereiten, während des Spiels Punkte zu zählen, nachher aufzuräumen und mit anderen Animatoren vorzutanzen. Daher kenne ich die Kinder leider kaum. Das Mädchen, etwa sieben oder acht Jahre alt, schien das nicht zu stören. Zunächst grüßte sie nur zurück, dann kam sie mir hinterher gerannt und fragte, ob ich gehen würde. Dann umarmte sie mich fest für ein Weilchen.

Eine einfache Umarmung, eigentlich eine Alltäglichkeit – oder? Trotzdem war zumindest für mich die Geste nicht so klein, wie sie erscheinen mag. Denn solche Gesten können einen Haufen Wertschätzung ausdrücken. Und wahrscheinlich kennt das Mädchen eine Bezeichnung für dieses Gefühl noch gar nicht, aber zeigen kann sie es trotzdem – mit so etwas Einfachem, völlig Kostenlosem wie einer Umarmung.

Das Spiel der Engel

Und noch etwas hat meine Aufmerksamkeit auf kleine Gesten gelenkt: Mit den Animatoren spielen wir seit Anfang Dezember ein Spiel, das mir Jezuela als „Game of the Angels“, also „Spiel der Engel“, übersetzt hat. Zu Beginn wird der Name jedes Teilnehmers auf kleine Zettelchen geschrieben. Dann zieht jeder einen Zettel. Für die Person, die man gezogen hat, ist man nun der Engel. Das heißt, man lässt ihr immer wieder anonym einen Brief oder eine Kleinigkeit zukommen. Dafür steht im Sektretariat eine Box, in die die Briefe und Geschenkchen gelegt werden.

Ich habe sehr schöne Briefe bekommen und eines Tages, als in der Mittagspause Tee und Gebäck verkauft wurde, um einen verunfallten Mitarbeiter finanziell zu unterstützen, wurde mir ein Tee, ein Kuchenstück, ein Muffin und noch ein Gebäck von ein paar Schülerinnen zu mir gebracht, mit lieben Grüßen von meinem Engel. Das war eine schöne Überraschung.

Genauso viel Spaß macht es, kleine Dinge zu basteln und Sprüche oder Briefe zu schreiben (die mir Jezuela alle auf Albanisch übersetzt hat, denn die Empfängerin spricht leider kaum Englisch – dankeschön, Jezuela!) und später mitzubekommen, wie sehr sich die Empfängerin darüber freut.

Ich hoffe, euch inspirieren meine Erlebnisse dazu, selbst mal euer Herz in die Hand zu nehmen und Leuten zu zeigen, dass ihr sie wertschätzt, selbst wenn nicht gerade ihr Geburtstag ist.

Liebe Grüße an alle daheim und vielen Dank, dass ihr mich unterstützt!

Eure Bettina

Mein bester Freund, der Heizstrahler

In Deutschland – zumindest in meiner Heimat, dem Allgäu – übertrifft sich der Winter dieses Jahr selbst: Auf Fotos habe ich tief eingeschneite Autos gesucht und Leute, die durch hüfthohen Schnee stapfen, bewundert. Zu gerne würde ich diesen Schnee erleben, hatten wir doch das letzte Mal so viel Schnee, da war mein Alter noch nicht zweistellig. Also, nicht dass ich die Kälte vermissen würde – meine Winterjacke habe ich schon im Oktober rausgeholt.

Im warmen Süden?

Ja, im Sommer stimmt das. Hier in Gjilan kann es bis zu 40 °C warm werden. Im Winter allerdings wird es genauso extrem kalt: Die Temperaturen können unter – 20 °C sinken. Die letzte Woche und auch die kommende Woche bleiben die Temperaturen unter null, frühmorgens hat es zweistellige Minusgrade. Dabei liegt der Kosovo doch gar nicht so weit vom Mittelmeer weg? Stimmt, aber das Land ist eingerahmt von Gebirgen, wodurch ein Kontinentalklima entsteht.

Der Sommer war laut den Einheimischen sehr trocken. Auch während meinem bisherigen Aufenthalt hier hat es zunächst selten und meist nur kurz und leicht geregnet. Erst im Dezember gab es etwas mehr Niederschlag, also Schnee – aber bei Weitem nicht vergleichbar mit der Menge an Schnee, der gerade im Allgäu liegt. Inzwischen haben wir gerade so viel Schnee, dass man in Wanderschuhen – die sind hier die gängigen Winterstiefel – nasse Socken bekommt, wenn man durch unberührten Schnee läuft. Das dürften also etwa 15 odere 20 Zentimeter Schnee sein.

Alles was wärmt

Im Moment laufe ich also wärmstens eingepackt herum: Unter der Hose trage ich noch Strumpfhosen, die ich an den Füßen mit Socken unterstütze – gerne nicht nur mit einem Paar, wenn ich keine Straßenschuhe anhabe. Nicht selten trage ich das T-Shirt aus meinem Skiunterwäscheset, darüber einen Pulli und eine Sweatjacke. Auf meinem Zimmer kommt manchmal noch eine zweite, diverse Nummern zu große Sweatjacke dazu, draußen trage ich natürlich meine Winterjacke.

Und absolut dankbar bin ich über den Heizstrahler in meinem Zimmer. Es gäbe auch eine normale Heizung in meinem Zimmer, aber die läuft nicht. Ich wohne nämlich im Internat, das – abgesehen von mir – unbewohnt ist. Entsprechend wird dieser Gebäudeteil nicht geheizt, wird doch nur ein Zimmer genutzt. Daher sind Heizstrahler, Wärmflasche und Decke in diesen Stunden, in denen ich Unterricht vorbereite, lese und Texte tippe, meine besten Freunde.

Ich packe in meinen Koffer…

Tja, was wohl? Im Gegensatz zu den Voluntären in Afrika und Indien musste ich mich für zwei (mehr oder weniger) extreme Wetterlagen rüsten – und im Kosovo laufen alle genauso rum wie in Deutschland. Man kann sich keine Churidare (oder Churidars?) schneidern lassen, die man nach dem Jahr größtenteils an nachfolgende Voluntäre weitergibt und das Kleidungsproblem ist gelöst.

Und leider sind warme Pullis auch noch so dick… Viele passen da nicht in den Koffer hinein… Und im Gegensatz zu einigen anderen durfte ich auch nicht mit zwei Koffern reisen. Klar, ich kann hier natürlich auch neue Kleidung kaufen, ist sie hier doch eher etwas billiger als in Deutschland. Aber dafür muss ich ja erst mal Shoppen gehen – und wer mich kennt, weiß, dass das alles andere als meine Lieblingsbeschäftigung ist. Am ehesten kann man mich noch für Second-Hand-Läden oder auf Flohmärkte begeistern. Entsprechend hat es bisher nur ein neuer Pullover und ein Cardigan in meinen Kleiderschrank geschafft.

Deshalb lebe ich gerade mit einer eher kleinen Auswahl an Kleidungsstücken, was auch ganz praktisch ist. Große Wäscheberge sammeln sich nämlich nicht an, denn man hat ja nicht viel, das man waschen könnte. Man muss auch nicht lang überlegen, welche Klamottenkombination die schönste ist – man nimmt, was warm genug und sauber ist. Und das ist nicht viel.

Im nächsten Beitrag geht es ebenfalls um „nicht viel“ – oder vielleicht doch? Dazu dürft ihr euch dann eure eigenen Gedanken machen.

Bis dahin,

eure Bettina

Update

Maylie sitzt vor ihrem jetzt ehemaligen Zuhause.

Da ich euch wiedereinmal ein Weilchen hängen gelassen habe, gibt es heute ein kleines Update.

Maylie

Wie nützlich Social Media doch sein kann! Nachdem Jezuela Fotos von Maylie auf ihrem Instagram-Account gestellt und dazu notiert hat, dass wir einen Platz für sie suchen, hat sich eine ehemalige Animatorin gemeldet. So hat Maylie kurz vor Weihnachten doch noch einen Platz gefunden! Jetzt lebt sie bei einer Familie auf dem Dorf mit großem Garten.

Vielen Dank an alle, die mich unterstützt haben!

Weihnachten

Ein Haus als Geschenk! Wer sagt da nein?!

Flora (eingesetzt in Podgorica, Montenegro), Gregor (Tirana, Albanien) und ich haben überlegt, gemeinsam Weihanchten zu feiern. Letztendlich bin ich am 22. Dezember mit Jezuela zu Gregor gefahren. Flora konnte leider nicht kommen.

Unsere Hauptbeschäftigung am 23., 24. und 25. Dezember war, Tirana zu erkunden. Tirana ist eine sehr vielfältige Stadt. Rund um das Don Bosco-Zentrum stehen hohe Wohnhäuser, wie man sie in Deutschland auch findet. Andere Wohnviertel scheinen älter zu sein mit kleinen Sträßlein und Häusern. Es gibt Malls wie bei uns, auch Plätze, die man genauso in einer deutschen Hauptstadt finden könnte. Und mittendrin stehen manchmal alte Gebäude, wie ein pyramidenartiges Gebäude, das zur Zeit des Kommunismus gebaut wurde und nun zerfällt. Wir waren auch in einem schönen Parkgelände: Es liegt am Hang, hat Spielplätze und Sitzgelegenheiten sowie kleine Restaurants. Am Fuß des Parks ist ein schöner kleiner See.

Das ist der See am Fuße eines Parks in Tirana.
Ein zerfallendes, pyramidenartiges Gebäude.
Unsere kleine Bescherung.

Außerdem haben wir Plätzchen, die Gregor bereits gebacken hatte, mit Zuckerguß und Schokostreuseln oder Walnüsen garniert. Und eine Schokotorte durfte natürlich auch nicht fehlen!

An Heiligabend haben wir uns zusammengesetzt und mir einem Adventskranz und ein paar kleinen Geschenkchen Weihnachten gefeiert und die Plätzchen verputzt. Danach ging es nicht sofort in die Kirche, sondern erst in die Küche: Wir kochten fünf Töpfe Kakao für alle Christmessenbesucher! Es hat ziemlich viel Spaß gemacht, am Ende des Gottesdienstes Kakao auszugeben und allen „Gëzuar Krishtlindjet“ zu wünschen.

So habe ich ein ganz anderes, sehr schönes Weihnachten verbracht – tortzdem freue ich mich schon darauf, nächstes Jahr wieder mit der Familie zu feiern.

Bis bald!

Eure Bettina

Damit habe ich nicht gerechnet

Erst mal möchte ich mich entschuldigen, dass ich schon wieder nicht meinen allsonntäglichen Bericht geliefert habe. Der Grund war, dass es bei mir plötzlich drunter und drüber ging. Deshalb darf ich euch heute nicht in etwa meinen neuen Freund, den Heizkörper, sondern meine neue Freundin, die Maylie, vorstellen.

Wie ich Maylie kennengelernt habe

Maylie liegt das erste Mal im eigenen (improvisierten) Körbchen.

Es war ein kalter Dienstag, der 20. November. Jezuela und ich waren gerade dabei, Müll vom Schulkiosk zu den Müllcontainern zu bringen. Und da lag sie, eingerollt am Reifen eines Autos, und zitterte mit meinem Herz um die Wette. Ich konnte diesen Welpen doch nicht einfach dort liegen lassen. Aber was macht man mit einem kleinen, alleingelassenen Welpen? Jezuela ergriff kurzerhand die Initiative. Auf unserem Schulgelände steht eine kleine Häuserreihe. Sie ist ziemlich heruntergekommen und soll eines Tages mal durch eine Turnhalle ersetzt werden. (Bis dahin müssen wir aber erst mal das Geld für Spinde, Unterrichtsmaterialien und Jalousien finden.) Dort haben wir jedenfalls einen Unterschlupf für den Welpen gefunden. In einem abgeschlossenen Raum haben sich Überreste alter Spenden finden lassen, da haben wir einen Bananenkarton , ein Kissen, ein T-Shirt, ein Leintuch und ein paar kleine Kuscheltiere gefunden, womit wir ihr ein improvisiertes Körbchen hergerichtet haben.

Und ist das jetzt ein Mädel oder ein Junge, was wir hier vor uns haben? Mit Hilfe einer Freundin daheim, die selbst eine Hündin hat, haben wir herausgefunden, dass es ein Mädchen ist. Daraufhin habe ich die Kleine auf Idee meiner Freundin Maylie genannt.

Und was geschieht nun mit Maylie?

Maylie mit ihrer Mutter.

Ich habe natürlich Don Dominik gefragt, ob das vorübergehen tragbar ist, dass wir Maylie aufnehmen. Zum Glück ist es in Ordnung, aber wir müssen so schnell wie möglich ein neues Zuhause für sie finden. Viele Kinder und Jugendliche haben Angst vor Hunden, selbst wenn sie nur etwa katzengroß sind wie Maylie im Moment. Daher würde Don Dominik Probleme mit den Eltern bekommen, wenn wir Maylie nicht bald weg geben.

Leider können wir Maylie auch nicht sicher wegsperren. Das Häuschen ist frei zugänglich, jeder kann die Tür öffnen und eintreten. Des Öfteren ist sie daher draußen herumgerannt, ohne dass jemand auf sie aufgepasst hätte. Das mindert die Angst der Kinder natürlich keineswegs. Und ganz nebenbei bin ich auch keine erfahrene Hundehalterin und kann nur hoffen, dass die Ratschläge von Hundehalterin sowie mein guter Wille ausreichen, um Maylie so gut als möglich zu versorgen.

Das nächste Problem ist: Wer nimmt sie? Hier im Kosovo sind Hunde nämlich nicht gerade das Lieblingshaustier. Im Gegenteil, es gibt überall Straßenhunde, um die sich niemand kümmert. Sie sind nichts wert, nicht selten sieht man tote Hunde am Straßenrand liegen.

Aber natürlich gibt es durchaus tierliebe Menschen hier. Jezuela hat einen Hund, auch eine Schülerin hat mir von ihrem Hund erzählt. Allerdings ist Hundehaltung nicht allzu billig – daher ist die Aufnahme eines zweiten Hundes recht schwierig. Außerdem scheint Maylie ein größerer Hund zu werden, der nicht so einfach nur im Garten zu halten ist, sondern ordentliche Spaziergänge braucht. Und einfach nur niedlich und knuddelig wie sie im Moment noch ist, wird sie auch nicht immer bleiben.

Also bleibt nur noch eine Hilfsorganisation. Eine habe ich schon angeschrieben. Die hat allerdings keinen Platz mehr. Klar, die Straßenhunde sind unkastriert, jedes Jahr kommen jede Menge Hunde zur Welt, von denen etliche zu den wenigen vorhandenen Anlaufstellen gebracht werden. Im Moment bin ich dabei, weitere Hilfsorganisationen zu kontaktieren, in der Hoffnung, für Maylie einen anderen vorübergehenden Platz zu finden. Und gleichzeitig nehme ich die nächste Aufgabe in Angriff: Maylie braucht einen Platz in Deutschland. Hier im Kosovo jemanden für sie zu finden ist nahezu unmöglich.

Mit vielem habe ich gerechnet

Maylie ist müde geworden… Und hat es sich auf meinem Schoß gemütlich gemacht.

Aber damit habe ich nicht gerechnet. Nun sitze ich da, arbeite nicht nur für die Schüler und Schülerinnen an der Schule, sondern auch für einen kleinen Hund. Bitte helft mit Maylie einen Platz zu finden – wenn ihr von irgendjemandem hört, der sich einen Hund zulegen will oder gar selbst dieser Irgendjemand seid, bitte meldet euch unter maylie@digiwo.de bei mir!

Ich werde euch so schnell wie möglich updaten, sobald es was Neues über Maylie gibt.

Bis dahin!

Eure Bettina

Vor der Ausreise

Vor drei Monaten, im August, war ich mitten in den Ausreisevorbereitung – dazu gehört auch das Sich-Verabschieden. Wie war das eigentlich?

Vorbereitungen

Ich hatte zum Glück nicht so wahnsinnig viel vorzubereiten wie andere. Mein Praktikum in Belgien war schon vorüber, ein Visum oder eine Aufenthaltsgenehmigung muss ich als Deutsche im Kosovo nicht im Vorhinein beantragen. Für die ersten 90 Tage meines Aufenthalts brauche ich keine behördlichen Erlaubnisse. Das ist im Vergleich zu beispielsweise den Indien-Reisenden eine große Erleichterung. So brauchte ich nur Reisepass, Führungs- und Gesundheitszeugnis. Ein Bankkonto, mit dem ich im Kosovo Geld abheben konnte, musste ich auch eröffnen.

Natürlich brauchte ich Impfungen – aber nur wenige. Und meine Weisheitszähne mussten noch raus! Gut einen Monat vor der Ausreise, kein Problem, bis dahin ist alles längst verheilt! Von wegen… Zwei Entzündungen habe ich mir eingefangen. Hintereinander, an derselben Stelle. Ich musste bis zur Ausreise Antibiotika nehmen. Und eins ist mir bei all dem Chaos untergegangen: Ich muss die jährliche Zahnkontrolle, die ich sonst im Dezember habe, schon vor der Ausreise machen! Zum Glück hat mich mein Zahnarzt ganz spontan noch einschieben können. So habe ich noch am Abflugtag dem Zahnarzt einen Besuch abgestattet. Zum Glück war alles in Ordnung.

Packen

Abgesehen von den medizinischen Vorbereitungen ging es also vor allem ums Packen. Wie ist das Klima im Kosovo? Was muss ich noch besorgen? Was kann ich überhaupt mitnehmen? Wie soll ein Jahr Kleidung und sonstige Ausstattung in einen Koffer mit 23 Kilogramm, einem Handgepäck mit 8 Kilogramm sowie einer Laptoptasche passen? Wie soll ich ein bisschen Sommerkleidung und dicke, schwere Winterkleidung unterbringen?

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich viel hin und her gepackt habe, Dinge von meiner Liste streichen musste – meine geliebten Veggi-Gummibärchen! – nur um dann am Flughafen festzustellen, dass das Gepäck nicht gewogen wird und ich nicht auf 100 Gramm genau hätte packen müssen. Die Gummibärchen wären schon noch reingegangen… Tja, lieber fehlen die Gummibärchen als warme Socken. Die brauche ich hier für die kommenden sechs Monate jeden einzelnen Tag.

Sich verabschieden …

Manchmal habe ich nicht einmal gewusst, dass ich diese Person nun ein letztes Mal treffen würde – oder anders herum, ich wusste nicht, dass ich sie nocheinmal sehen würde. Manchmal macht das den Abschied sogar leichter, wenn man nicht ganz klar sagen muss: „Tschüss, das ist das letzte Mal für ein Jahr, dass wir uns treffen.“

Aber bei meinen engsten Freundinnen war ich ganz froh, dass ich sie entweder einzeln oder in einer Gruppe nocheinmal gesehen habe und mich ganz bewusst in Ruhe verabschieden konnte. Und ich wage, die These aufzustellen, dass solche Abschiede Freundschaften stärken können. Es ist nämlich schön, zu hören, dass die Freundin keine Angst vor diesem Abschied hat, weil sie glaubt, dass wir immer noch dieselbe Freundschaft haben werden, wenn ich wieder zurück komme. Vor allem, wenn ich mir selbst genauso sicher bin.

Ein paar der Geschenke – Wörter sind ganz offensichtlich wichtig in meinem Leben. 😉

Ich habe auch wunderbare Geschenke bekommen: Kreativ gestaltete Tagebücher, Notizbücher, kleine Spruchkalender, selbstgemachte Stoffkisten, Schokolade, Gummibärchen, Karten und Briefe.

… auch von meiner Familie

Ganz oft wurde ich gefragt, wie denn meine Eltern dem Abschied und dem Auslandsjahr entgegensehen. Ich durfte damit überraschen, dass meine Eltern keine Angst vor dem Abschied haben und auch nicht allzu traurig sind, dass ich weg bin. Warum? Weil sie sehen, dass sie mich zu einer eigenständigen, freien Frau großgezogen haben, die die Welt sehen will. Die in sich selbst vertraut. Die ihre Augen dafür öffnet, wie andere Menschen leben.

Und vor allem, weil sie fühlen: Räumliche Distanz bedeutet nicht automatisch seelische Distanz. Auch wenn wir über 1000 Kilometer weg sind, lieben wir, eine fünfköpfige Familie, uns und teilen unsere Leben miteinander – moderne Technik macht es einfacher. In unserem Familienchat landen fast täglich Bilder, kleine Geschichten, die wir erlebt haben, und „Gute Nacht, hab euch lieb!“-Grüße. (Und natürlich hilft es, dass die große Schwester auch schon mal ein Jahr mit Don Bosco weg war – in Indien.)

Für mich war der Abschied also alles in allem keine schmerzliche, sondern eine herzliche Erfahrung. Natürlich ist die ein oder andere Träne geflossen, aber ich habe nicht gelitten. Selbst am Flughafen hatten alle ein Lächeln auf dem Gesicht. Auch jetzt habe ich kein quälendes Heimweh. Ich liebe meine Familie und meine Freunde, manchmal hätte ich sie wirklich gerne hier, damit sie dasselbe sehen und erleben können wie ich. Aber zugleich möchte ich meine eigenen Erfahrungen machen, Neues sehen. Zum Glück bekomme ich per WhatsApp Fotos und Nachrichten, der Videochat ist eine wunderbare Erfindung – und das Bloggen auch. Mit all diesen Möglichkeiten kann ich das Wichtigste mit euch teilen.

Auch nächstes Wochenende lasse ich euch wieder an meinen Erfahrungen hier teilhaben – wahrscheinlich wird’s um meinen neuen besten Freund, den Heizlüfter, gehen.

Bis dahin! Ganz herzliche Grüße an alle,

Eure Bettina

Sprachunfälle

Witzige Bedeutungen

Wenn man eine neue Sprache lernt, tappt man in so manche Falle – die mehr oder weniger harmlos sein kann.

Stellt euch mal vor, von einem Tag auf den anderen heißt „ja“ „nein“ und „nein“ „ja“ – wie oft würdet ihr etwas falsch verstehen? Genau das kam hier auf mich zu. Das albanische „ja“ steht für das deutsche „ne“ und „jo“ bedeutet „nein“ – ihr könnt euch vorstellen, wie oft ich verwirrt war, ob etwas bestätigt oder abgelehnt wurde. Witzig ist es für mich, hier etwas zu bejahen, denn dann sagt man „po“ – man beachte die deutsche Bedeutung. Lachen musste ich auch, als ich den Namen von Jezuelas Großvater erfuhrt: Er klingt wie „hacke“. Als ich erklärte, warum ich den Namen so witzig finde, meinte er nur trocken: „In Deutschland würde immerhin niemand meinen Namen vergessen.“

Einige Lacher habe ich auch bekommen, wenn ich im Kisok „peach“, englisch für „Pfirsich“, gesagt habe. Dasselbe kann passieren, wenn ich „car“ sage – die beiden Wörter klingen wie die Geschlechtsteile von Frau und Mann auf Albanisch! Die Frage „Can I have your car?“ bekommt plötzlich eine seltsame Doppeldeutigkeit…

Der Sprachmixer

Es sind natürlich nicht nur Bedeutungen, die einen verwirren oder witzig sind. Manchmal wirft mein Kopf den Sprachmixer an. Dann gerät etwas Deutsch in meine englischen Sätze, zum Beispiel „I’m going to the Kiosk“. Oder in Kombination von Französisch und Albanisch: „C’est mirë.“

Ich bemerke auch gar nicht immer, wenn ich ein falsches Wort untermische oder komplett die falsche Sprache spreche. Mit Don Oreste unterhalte ich mich in Französisch. Aber manchmal, wenn ich gerade nur Englisch gesprochen habe, spreche ich versehentlich einfach weiter auf Englisch. Ihm geht es allerdings genauso mit mir, oft spricht er mich auf Albanisch an oder springt mitten im Gespräch auf Albanisch um. Auch den Schüler*innen geht es bisweilen so. Ich denke allerdings, dass das gar nicht schlecht ist: Es zeigt, dass ich für sie nicht die Ausländerin bin, mit der man mühsam Englisch sprechen muss, sondern dass sie mich nicht viel anders als alle anderen empfinden. Ganz besonders tricky ist daran, dass ich durchaus ein bisschen Albanisch kann.

Manchmal lässt mich der Sprachmixer in meinem Kopf auch für einen Moment verstummen: Als Jezuela und ich auf der Straße unterwegs waren, haben wir ihren ehemaligen Französischlehrer getroffen. Sie hat mich ihm natürlich als Französisch sprechende Deutsche vorgestellt. Daraufhin fragte er mich auf Französisch, seit wann ich im Kosovo sei. Als ich ihm nur „language chaos“ antworten konnte, wiederholte er seine Frage auf Deutsch. Bis dahin hatte sich mein Gehirn aber von Englisch auf Französisch umgestellt und ich antwortete ihm auf Französisch.

Selbst diejenigen, die sich viel mit mir unterhalten, sind vom Sprachmixer betroffen: Jezuela spricht versehentlich mit anderen Einheimischen Englisch – die womöglich selbst gar kein Englisch können. Don Oreste hat im Supermarkt eine Verkäuferin auf Französisch nach Kaffee gefragt – ihr verdutztes Gesicht war wirklich amüsant. Aber selbst ich habe einige Sekunden gebraucht, um zu verstehen, dass er die falsche Sprache mit ihr spricht, wenn ich ihn problemlos verstehen kann. Und als ich ihm sagte, dass er es auf Albanisch sagen solle, fragte er mich lachend, ob er gerade Französisch gesprochen habe.

Fremdsprachen sprechen

Ist es nicht etwas frustrierend, sich ständig in einer Fremdsprache verständigen zu müssen? Sicher, manchmal kommt man an den Punkt, an dem man nicht in die Worte der Fremdsprache fassen kann, was man in Deutsch ausdrücken könnte. Manchmal muss man einige Sekunden überlegen, bis man eine passende Umschreibung gefunden hat. Und man braucht Mut zur Lücke: Einiges kann man nur grob umreißen. Daher freue ich mich immer, mich mit unseren zwei deutschsprachigen Schülerinnen zu unterhalten. Aber insgesamt bin ich sehr zufrieden damit, wie ich hier hauptsächlich auf Englisch kommuniziere.

Das Albanisch-Lernen geht leider sehr langsam voran. Das liegt einerseits daran, dass Jezuela und ich der Praktikabilität halber beim Arbeiten Englisch sprechen müssen. Andererseits fehlt uns oft die Zeit dazu, uns in Ruhe für eine Albanischstunde hinzusetzen. Und im Alltag habe ich kaum den Druck, es lernen zu müssen. Insgesamt gibt es viele, die Englisch gut genug sprechen, um sich mit mir wenigstens zu verständigen oder sogar zu unterhalten. Es gibt allerdings auch erstaunlich viele, die kaum bis gar nicht Englisch sprechen, obwohl sie Englischunterricht haben. Allerdings ist dieser aufs Schriftliche fokussiert, hat mir Jezuela erklärt. Diejenigen, die Englisch gut sprechen, haben es oft vor allem aus Fernsehen und Internet gelernt. Deshalb wird auch mir oft die Frage gestellt, wo ich so gut englisch Sprechen gelernt habe. Meine Antwort „I’ve learned English in school.“ stößt entsprechend auf Erstaunen. Ebenso meine Antwort darauf, ob ich französische Wurzeln habe – „No, my family is completly german.“ – überrascht sie. Bei den einen kam die Annahme daher, dass ich Französisch spreche – was ich aber auch in der Schule gelernt habe – bei den anderen daher, dass sie in meinem Englisch einen Französischen Akzent hören. Es hat aber auch schon jemand gesagt, ich spräche British English.

Spannende Erfahrung

Diese Spracherfahrung ist jedenfalls viel wert, schätze ich. Und ich verstehe nun wesentlich besser, dass zweisprachig aufwachsende Kinder manchmal die Sprachen vermischen – wenn man beide Sprachen viel verwendet, kommen sie einem beide so vertraut vor. Auch während ich diesen Artikel geschrieben habe, habe ich nicht nur in Deutsch gedacht, manche Begriffe tauchten erst Mal in Englisch auf. Das Wort „familiar“ wollte mein Gehirn so gar nicht ins Deutsche übersetzen, also musste ich aufs Internet zugreifen und klar, als ich da „vertraut“ stehen sah, dachte ich mir natürlich, wie konntest du dieses Wort nur vergessen.

Liebe Grüße von der sprachverwirrten, aber glücklichen Bettina

Zwei Albanienbesuche

Eine Straßenecke in Tirana.

Einmal Tirana und zurück

Früh morgens um fünf Uhr ging es am Samstag, den 22. September, mit unserem elfsitzigen Bus los: Zu acht verteilten wir uns im Bus. Vorne saßen Don Oreste sowie vier unserer Wachmänner. Hinten machten wir – Jezuela, Leona und ich – es uns gemütlich. Nach etwa fünfeinhalb Stunden Fahrt kamen wir in Tirana an. Da warteten schon einige Animatoren auf uns, die Jezuela und Leona schon kannten. Außerdem die dortigen Salesianer und – nicht zu vergessen – Gregor!

Gregor und ich in Don Bosko in Tirana.

Gregor ist ebenfalls ein Volunteer von Don Bosco Benediktbeuern und wir haben natürlich jede Menge zum Quatschen gehabt. Leider konnte er mir nicht zeigen, wie er wohnt, denn wir waren nicht die einzigen Besucher: Auch aus den Don Bosko-Einrichtungen in Shkoder und Prishtina waren Leute da. Es gab ein Programm, also ging es kurz nach unserer Ankunft mit einer Begrüßung in der Kirche los. Darauf folgte eine Diskussionsrunde in kleinen Gruppen zum Thema „Dienen“. Das war sehr interessant: Wir diskutierten darüber, wie man dient und wo Grenzen des Dienens liegen. Manchmal heißt dienen einfach nur, jemandem zuzuhören oder jemanden zu umarmen. Manchmal meint man es                                                                                         zu gut und hat dann mit negativen Konsequenzen                                                                                         zu kämpfen.

Die Antoniuskirche des Klosters.
Eine Nische in der Gebetsmauer.

Auf die Diskussionsrunde folgte ein Gottesdienst, ein Lunchpaket und ein Rosenkranzgebet. Danach ging es schon wieder zurück, wollten wir doch auf der Rückfahrt noch beim franziskanischen Antoniuskloster in den Bergen oberhalb der albanischen Stadt Laç vorbei schauen. Auf dem Weg dorthin sind wir durch ein ärmliches Viertel gefahren: Heruntergekommene Häuser, scheibenlose Fenster, die mit Tüchern verhangen wurden, die ein oder andere Hausruine.

Oben bot sich ein wunderschöner Ausblick. Die Kirche ist eine schöne, kleine Kirche. Daneben gibt es eine Gebetsmauer und unterhalb der Kirche ist eine dem heiligen Sankt Blasius geweihte Höhle. Der gesamte Ort ist ein Wallfahrtsort, an dem Wunderheilungen geschehen sein sollen.

Danach ging es endgültig zurück nach Gjilan. Dort haben wir die Partymeile durchquert, was ein ziemliches Kontrastbild zu dem ärmlichen Viertel, durch das wir in Albanien gefahren waren, bildete.

Leona und Jezuela während wir zur St.-Blasius-Höhle hinunterlaufen.
Aussicht in Albanische Landschaft.

Mit den 10.-Klässlern auf Bildungsfahrt

Eine Büste von Skanderbeg im Skanderbeg-Museum. Man sieht sein Bild sehr oft.

Etwas überraschend durfte ich mit unseren beiden zehnten Klassen auf Albanienfahrt gehen. Am Freitag, den 05. Oktober, und am Samstag, dem 06. Oktober, waren wir in einem Reisebus und einem Kleinbus unterwegs. Zu meinem Glück ist unter den Zehntklässlerinnen eine Kosovarin, die die ersten neun Jahre ihres Lebens in der deutschsprachigen Schweiz verbracht hat. Also konnte ich mich endlich mal wieder ganz entspannt auf Deutsch unterhalten – wobei wir trotzdem ab und zu ins Englische gerutscht sind.

Die Ausflugsziele unserer Fahrt waren größtenteils Skanderbeg gewidmet. Er war ein albanischer Fürst. Sein eigentlicher Name ist Gjergj Kastrioti (etwa „Dscherdsch Kastrioti“, eingedeutscht: Georg Kastriota), der hier Skënderbeu (etwa „Skenderbe-u“) genannt wird. Er hat, ganz grob gesagt, im 15. Jahrhundert die Albaner erfolgreich gegen die Osmanen verteidigt. Für Albaner ist er ein Nationalheld – also auch für die meisten Kosovaren hier, da sie größtenteils zur Ethnie der Albaner gehören.

Die Mauerreste unter dem steinernen Säulengerüst sind Reste der Nikolauskirche.

Unsere erste Station war die Stadt Lezha, auch unter ihrem italienischen Namen Alessio bekannt. Die dortige Skanderbeg-Gedenkstätte birgt die Überreste der einstmaligen St. Nikolaus-Kirche, die Skanderbeg einst als Versammlungsraum diente, sowie Skanderbegs Grab. Nachdem Osmanen die Region eroberten, wurde aus der Kirche eine Moschee, welche zu kommunistisch-atheistischen Zeiten geschlossen wurde. Nachdem sie durch ein Erdbeben stark beschädigt wurde, baute man sie bis auf die Reste der St. Nikolaus-Kirche zurück.

Über der Stadt thront die Festung von Lezha. Von dort oben hat man eine wunderbare Aussicht über die Stadt, die Berge und Ebenen,                                                                                          sowie die nahe Adriaküste.

…  und die Aussicht Richtung Meer.
Die Festung …
Morgens mit einem Lehrer und vier Zehntklässlerinnen am Strand von Durrës.

Übernachtet haben wir in der Stadt Durrës, die an der Adriaküste liegt. Unser Hotel lag nur etwa zwei Gehminuten vom Strand entfernt. Abends ging es also erstmal zum Hafen, wo so etwas wie ein kleiner Rummel stattfand, und danach zog es uns an den Strand. Das erinnerte mich an Belgien, wo wir auch an einem Abend an den Strand gegangen sind und ich lachend wie ein fröhliches kleines Kind Wellenhüpfen gespielt und mir dabei die Hose nassgespritzt habe. Das musste hier natürlich unbedingt wiederholt werden. Auch am Morgen zog es uns nocheinmal an den Strand.

Die Festung von Kruja zieht sich über den Rücken des Berges. Davor sind ein paar Häuser von Kruja zu sehen.

Weiter ging der Tag im Amphitheater in Durrës. Danach fuhren wir hoch in die Berge: Wir besuchten die Festung von Kruja. Als einst Skanderbeg dort residierte, wurde sie drei Mal von den Osmanen belagert, aber nie eingenommen. Erst nach Skanderbegs Tod gelang es den Osmanen, die Festung einzunehmen. Inzwischen ist in die Festung ein Skanderbeg-Museum integriert worden, in dem unsere Schüler*innen eine Führung über Skanderbegs Leben gehört haben.

Danach ging es wieder ab nach Hause.

Aussicht auf Kruja.

Für mich war die Fahrt nicht nur eine Gelegenheit, ein bisschen mehr von Albanien zu sehen. Viel mehr durfte ich ein paar Schülerinnen besser kennenlernen, da ich im Bus neben ihnen saß, mir Erklärungen von ihnen übersetzen ließ, wir uns unterhielten, gemeinsam durch die Stadt schlenderten oder gemeinsam im Hotelzimmer übernachtet haben. Das war schön, hat einige zum Teil sehr persönliche Gespräche entstehen lassen und mir ein bisschen mehr Zugang zu den Schüler- und Schülerinnen gebracht.

Einer der vielen Souveniershops in Kruja.

Vielen Dank für eure Geduld beim Warten auf diesen Beitrag! Ich habe vor, nächste Woche wieder pünktlich einen Blog online zu stellen – Themen gäbe es zur Genüge. Aber Pläne sind hier meistens zum umwerfen da… Also bitte verzeiht mir, dass hin und wieder mal der wöchentliche Beitrag sich verspätet oder ganz ausbleibt.

Liebe Grüße an alle! Eure Bettina

 

 

 

 

 

Aussicht von der Festung Lezha aus ins Hinterland Albaniens.
Eine Moschee von der Festung Lezha aus gesehen.

 

Woher sind die zwei Szenen?

Falls ihr meinen letzten Beitrag noch nicht gelesen habt: Den solltet ihr für ein besseres Verständnis unbedingt vor diesem Text lesen!

Schlaf gut

Die erste Inspiration stammt aus Gjilan, Kosovo. Wir waren spätabends auf dem Heimweg von Tirana, Albanien, und fuhren durch die Partymeile Gjilans. Da habe ich im Vorbeifahren die Frau mit ihrem Kind gesehen – so wie ich sie beschrieben habe. Ich kann natürlich nicht sicher sagen, ob die Beiden obdachlos sind, aber ich kann mir sonst keinen Grund vorstellen, dort mit Kind im Arm zu sitzen. Aber ich habe sie nur einige Sekunden gesehen, ich könnte also durchaus falsch liegen mit meiner Vermutung. Ansonsten habe ich im Kosovo bisher keine offensichtlich Obdachlose gesehen.

Dennoch gibt es viele Bettler, auch Kinder. Sowohl in Prishtina als auch in Tirana habe ich Kinder gesehen, die an roten Ampeln für Geld Autoscheiben geputzt haben. An meinem zweiten Tag im Kosovo sind wir für eine Messe – das Fest der Mutter Teresa – nach Prishtina gefahren. Nach der Messe haben Jezuela und ich in einem Straßencafé gegessen. Während wir dort unsere großen Portionen Burek – ein leckeres traditionelles Gericht – aßen, kamen zwei etwa elf- und achtjährige Mädchen zu uns. Die Kleinere der beiden bettelte um etwas – ich weiß nicht worum, vermutlich Geld. Jezuela bot ihr jedenfalls etwas von ihrem Essen an, nicht aber Geld. Sie nahm gerne etwas an. Dem anderen Mädchen, das sich auf der anderen Seite des Tisches mit etwas Abstand hingestellt hatte, bot ich daraufhin ebenfalls etwas an – sie sollte doch nicht leer ausgehen. Burek wollte sie nicht, aber eine Orangenscheibe lies sie sich gerne schmecken.

Zurück zur Obdachlosigkeit: Ich nehme an, dass es wenige Obdachlose gibt, weil hier der Familienzusammenhalt recht gut zu sein scheint. Trotzdem kann es für eine Familie schnell das finanzielle Aus bedeuten, wenn der Ernährer stirbt. Hier gibt es nämlich kein soziales staatliches System, dass Menschen in Not auffängt, wie wir es in Deutschland haben (aber selbst unser System hat Lücken). Deshalb ist hier Solidarität innerhalb der Verwandtschaft sehr wichtig.

Wo wir beim Thema Leben auf der Straße sind: Straßenhunde gibt es viele, sowohl im Kosovo als auch in Albanien. Diesen hier habe ich in einer Stadt in Albanien fotografiert, mitten in der Fußgängerzone. Er sieht noch relativ gesund aus, dafür, dass er auf der Straße lebt. Ich habe aber auch schon einen Hunde gesehen, die nicht nur ein bisschen zottelig und dreckig sind, sondern sichtbar unter dem Straßenleben leiden.

Wie ein Monster

Die zweite Inspiration trage ich seit meinem Besuch in Hamburg in meinem Kopf. Das war im Sommer 2017, als ich mit fünf Freundinnen einen Kurzurlaub in der Hansestadt gemacht habe. Dort bestaunte ich nicht nur die wunderschöne Elbphilharmonie – ich habe auch die Obdachlosen gesehen. An jedem Tag, in fast jeder U-Bahnstation, in vielen Straßen. Ich als Landei aus bayerischer Provinz bin den Anblick von armen, verwahrlosten Menschen nicht gewöhnt – ich hoffe, ich werde mich auch nie daran gewöhnen, selbst wenn ich hundert Jahre lang in einer Großstadt wohnen sollte.

Aber wir alle, die gesamte Gesellschaft, denken wir noch an sie? Oder haben wir uns schon an ihrem Anblick gewöhnt? Sehen wir die Lücken im System, durch die diese Menschen gefallen sind? Oder glauben wir, dass es ihnen nicht so ergehen würde, hätten sie sich nur etwas mehr angestrengt? Sagen wir „ihr Problem“ und gehen weiter? Oder versuchen wir, solidarisch zu sein mit Fremden? Wie viel von unserer – zumindest von einigen deutschen Politikern – viel beschworenen christlichen Leitkultur steckt in unserem alltäglichen Handeln?

Jetzt kommt der Teil für die Christen unter euch: In Lukas 10, 25 – 37 wird Jesus von einem Gesetzeslehrer gefragt: Wer ist mein Nächster? Und diese Frage müssen wir uns auch stellen, wenn wir davon sprechen, unseren Nächsten lieben zu wollen. Jesus jedenfalls erzählt ihm auf diese Frage das Gleichnis des barmherzigen Samariters. Die Schlussfolgerung darauf: Der, dem du gerade begegnest, dem du mit deinem Herzen in der Hand entgegentrittst, ist dein Nächster.

Für alle Nicht-Christen (aber natürlich auch für Christen):

Wollen wir als Einzelkämpfer leben? Oder wollen wir geben und nehmen?

Wollen wir, dass die einen im Überfluss leben, während die anderen leiden? Oder wollen wir gemeinsam unsere Leben meistern? Auch wenn es bedeutet, dass man meist weniger Geld hat, als man haben könnte, man dafür aber in Notsituationen genug Geld für ein würdiges Leben bekommt?

Hundert Mal zehn Cent sind zehn Euro

Ich möchte euch alle dazu aufrufen, jeden einzelnen Tag zu überlegen, wo ihr helfen könnt – es muss ja nicht so groß sein. Und es muss ja auch nicht gleich der nächste Obdachlose sein, der euch begegnet. Schon wenn jeder jeden Tages etwas Kleines tut, kommt einiges zusammen: Hundert Mal zehn Cent sind zehn Euro – oder hundert Mal eine scheinbar kleine Tat sind summiert eine größere Tat.

Ich weiß, manche von euch denken jetzt, die hat leicht reden, sie macht einen Freiwilligendienst, ein ganzes Jahr nur für andere! Aber der Freiwilligendienst bringt nicht nur den Leuten hier etwas, er bringt auch mir etwas: Ich darf ein Jahr im Ausland leben, eine neue Kultur und neue Menschen kennenlernen. Ganz zu Schweigen davon, dass man mir so einen Freiwilligendienst bei meiner Jobsuche wahrscheinlich positiv angerechnen wird (womit leider viele Unternehmen, die kommerziell Freiwilligenarbeit vermitteln, Werbung machen). Und selbst wenn es so eine große Sache wäre – besser geht immer. Auch ich bin kein Engel, auch ich muss mir in die ein oder andere Situation vorwerfen, in der ich nicht geholfen habe, obwohl es so einfach gewesen wäre. Lasst uns also gemeinsam den Mut haben, mehr zu tun!

Liebe Grüße! Eure Bettina

 

PS: Sollte euch das anregen, gleich sofort was zu tun – hier geht’s direkt zum Spenden. Und ihr dürft gerne kommentieren oder mir anderweitig schreiben, ob ihr diese Antworten erwartet habt.

Zwei Szenen

Heute berichte ich nichts. Stattdessen habe ich euch zwei kleine Texte aufgeschrieben. Die folgen Szenen basieren auf wahren Erlebnissen und Wahrnehmungen.

 

Schlaf gut

Der kleine Junge gähnte.

„Komm her.“ Seine Mutter zog ihn näher zu sich.

Er kuschelte sich an sie, zog die Beine an. Zusammengekauert wie ein Embryo lag er in ihrem Schoß, schmiegte sich in ihre Arme. In Gedanken versunken starrte er vor sich hin. Die ausgestreckten Beine seiner Mutter, ihre staubige Hose, an ihren Füßen schmutzige Gummischuhe. Dahinter passierten elegante Ballerinas, blank geputzte Lederschuhe, Highheels.

Er zählte sie wie Schafe. Bis ihm die Augen zufielen.

Seine Mutter spürte ihn schwer werden in ihren Armen. Sie seufzte, aber es war nicht zu hören. Zu laut der Beat der Tanzmusik des Lokals hinter ihr. Zu laut die Menschenmasse, von der sie nur durch eine hüfthohe Mauer getrennt war. Für ihren Sohn war die Tanzmusik längst zur Schlafmusik geworden.

Für Sie? Die Musik war Teil einer Welt, zu der sie keinen Zutritt hatte. Sie konnte diese Welt hören, sie konnte sie sehen. Aber niemals an ihr teilnehmen. Sie saß nur direkt davor. Nicht einmal einen Meter entfernt – aber dieser eine Meter war unüberwindbar.

 

Wie ein Monster

„Kann mir denn niemand wenigstens einen Euro geben!“ Die Frau war frustriert. Ihre längst nicht mehr weiße Mütze saß auf dünnen Haaren, die in ein gegerbtes Gesicht fielen. Sie schaute in die Gesichter all dieser Bahnfahrenden. Die einen schauten zu Boden, die anderen wagten einen Blick, sahen sogleich wieder weg und doch wieder hin. Mancher fingerte nervös oder verzweifelt am Saum seines Ärmels. Sie sah vieles: Gleichgültigkeit ebenso wie Mitleid. Als wäre sie ein Nichts. Angst und Ekel. Als wäre sie ein Monster.

Und sie wusste, keiner wollte sie sehen. Nicht einmal sie selbst. Sie brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, wie sie aussah. Sie fühlte es. Die alten Klamotten, die Hose zerissen, darunter eine frische Wunde. Sie hatte sich an Dornen im Gebüsch neben der Bahnstation verletzt, als sie ihre Schlafnische verlassen wollte. Dreck haftete wie eine Staubschicht an ihrem ganzen Körper, hatte sie sich doch lange nicht mehr waschen können. Eines ihrer Augen war dunkel geschwollen, deswegen sah sie halbseitig nur unklar. Aber immernoch genug, um zu erkennen, dass hier wohl nichts zu holen war, zumal gerade die Bahn einfuhr. Ganz offensichtlich erleichtert, den zugigen, dreckigen Bahnsteig verlassen zu können, eilten die Wartenden in die Bahn. Die Türen schlossen sich, die Menschen brausten hinweg und ließen die Frau auf dem einsam grauen, trist gefliesten Betonklotz stehen.

 

Woher kommen diese Eindrücke?

Nur eine der beiden Inspirationen für diese Texte stammt aus dem Kosovo. Welche hat nicht hier stattgefunden und wo habe ich sie stattdessen gesehen? (Als kleine Hilfe: Ich war bisher in Österreich, Italien, Kroatien, Frankreich – und der dazugehörigen Insel Île de la Réunion, die neben Madagaskar liegt –, außerdem natürlich Deutschland und vor Kurzem das erste Mal in Albanien. Aus Albanien stammt auch das Bild zu Beginn des Beitrags: Ein Kind bereitet seine Utensilien zum Autoschweibenputzen her.)

Wenn ihr möchtet, könnt ihr eure Gedanken in die Kommentare schreiben oder mich anderweitig kontaktieren. Die Lösung werde ich in einer Woche veröffentlichen. Außerdem darf ich euch bereits einen Beitrag über meine bisherigen Albanienbesuche in Aussicht stellen.

Bis dahin! Eure Bettina