Herzlich Willkommen im Kosovo!

In einem unbekannten Land anzukommen ist wie ein ungelesenes Buch zu öffnen. Es tut sich eine Welt auf, die man bisher so nicht kannte. Sicher, einiges ist der eigenen Lebenswelt ähnlich, anderes jedoch ist völlig neu.

Kosovo – ein Land in Entwicklung

Eine kleine Häuseransammlung – das Steingebäude mit dem kleinen Turm dabei ist eine Moschee, die Ausgrabungen der Mauerreste rechts oben sind die Überreste einer Kathedrale, die auf das 13. Jahrhundert geschätzt wird, möglicherweise aber noch viel älter ist. Die Moschee wurde aus ihren Steinen erbaut.

Schon beim Landeanflug sah ich Dinge, die ungewohnt waren: Waldüberzogene Hügel und Berge, Häuser verstreut in der Natur, nur wenige landwirtschaftlich genutzte Flächen. Noch viel mehr sah ich während der einstündigen Fahrt von Prishtina nach Gjilan. Schon auf dem Parkplatz des Flughafens standen verschiedenste Autos, von Luxuskarossen bis hin zu Blechbüchsen. Es fahren Autos mit kaputten Scheinwerfern und blinden Rückscheiben herum – und direkt darauf kann ein mit teuren Sportwägen beladener Lastwagen folgen.

Genauso ist es bei den Häusern: Es gibt Siedlungen mit den neusten, modernsten Häusern, wie man sie auch in Deutschland nur in Reichenvierteln finden würde. Zugleich gibt es etliche Häuser, die alt, heruntergekommen und kaputt sind und nur noch darauf warten, zusammenzufallen und von der Natur zurückerobert zu werden. Ganz viele Häuser sind im Bau, jedenfalls habe ich ungewöhnlich viele unverputzte Häuser gesehen. Es kann auch sein, dass man sie einfach nur so lässt. Oft waren jedenfalls die Fenster schon eingebaut und manchmal sogar ein Laden drin. Sicher ist, dass die letzten Jahre insgesamt viel gebaut wurde. Jezuela, mit der ich zusammenarbeite, erzählte mir, dass vor sieben bis zehn Jahren die hohen Wohnhäuser rund um die Einrichtung gar nicht existierten. Stattdessen war das Gelände teilweise umgeben von Wiesen mit Äpfelbäumen. Für alle Neugierigen: Die Adresse ist „Don Bosko, Rr. Marie Shllaku, nr. 6, 60 000 Gjilan“, wenn man das zum Beispiel auf Google Earth eingibt, kann man sich die Umgebung von oben anschauen und mit Hilfe der historischen Bilder das Wachstum der Stadt nachvollziehen.

Da hängen Plastiktüten in Büschen und Bäumen …

Müllansammlung am Gehweg, der an das Don-Bosco-Gelände angrenzt

Eine unschöne, aber nicht unerwartete Beobachtung ist folgende: Müll findet man hier überall. Er liegt am Straßenrand, ist in Vorhöfen in einer Ecke abgelagert und aufgestapelt, wird nicht getrennt. In der Küche unserer Einrichtung gibt es zwar drei Mülleimer, aber man schmeißt in jeden alles. In den Läden steht immer ein zweiter Angestellter an der Kasse und packt die Waren in bereitliegende, kostenlose Plastiktüten – ein freundlicher, angenehmer Service, aber was passiert mit all den Tüten? Ich behalte sie als Mülltüten, aber normalerweise würden sie weggeworfen werden – man hat ja genug.

… aber zum Glück nicht in allen!

Die Aussicht über kosovarische Landschaft bei einer Ruine in der Nähe des Dorfes Novobrëdë.

Was hingegen sehr schön ist, ist die Natur: Sehr grün und hügelig und teilweise absolut naturbelassen. Die Felsen – sofern man sie denn sieht – haben einen warmen Rot-Ton. Das Grün ist kräftig und frisch, bisweilen silbrig. Ich habe auch schon Pflanzen gesehen, die mich an Italien erinnern: Manche Bäume sind hoch und schlank; der Apfelbaum in Jezuelas Garten wird von elegant geformten, leuchtenden Blüten durchrankt. Überhaupt, die Gärten: Klar, in der Stadt gibt es sie genauso wenig wie bei uns, aber auf dem Land gehört zu einem Haus in einem Dorf oft ein großer Garten und ein Stück Feld. Im Garten von Jezuelas Familie wachsen Reihen von Paprika, Lauch, Tomaten, Gurken… Außerdem gibt es schwer tragende Apfelbäume und Weintraubenreben.

Ein bisschen Sprachchaos

Noch viel wichtiger: Die Menschen hier. Meine erste Begegnung hier war zwar etwas unbeholfen, weil der Salesianer, der mich abholte, offenbar nicht wusste, dass ich Französisch gelernt habe. Er kann nämlich kein Englisch, aber Italienisch, Albanisch (die Amtssprache hier) und Französisch. Also versuchte er mir in Italienisch zu erklären, dass wir nun eine einstündige Autofahrt nach Gjilan vor uns hatten. Ich verstand das ein oder andere Wort und mit ein paar Brocken Englisch und Gesten konnten wir uns verständigen – bis ich einmal etwas auf Französisch sagte, in der Hoffnung, er würde es dank der Ähnlichkeit zum Italienischen verstehen. Von da an unterhielten wir uns auf Französisch. So spreche ich hier überraschenderweise gleich vier Sprachen: Englisch mit dem Einrichtungsleiter und den Mitarbeitern, Französisch mit dem Salesianer, Deutsch im Unterricht, Albanisch im Sprachunterricht mit einer Mitarbeiterin und – soweit ich es denn schon kann – mit Einheimschen.

Von Herzen freundlich

Nun aber zu den Menschen, wie ich sie bisher erlebt habe: In der Einrichtung wurde ich sofort von einigen Mitarbeitern mit Umarmung und herzlichen Worten empfangen. Dann gab es gleich Mittagessen mit den beiden Salesianern, die hier mit mir in der Schule wohnen (der Leiter und derjenige, der mich abgeholt hat) und danach bezog ich mein Zimmer. Zugegebenermaßen war das Erste, was ich darin tat, nicht etwa meine Koffer auszupacken, nein, ich legte mich erstmal schlafen. Erst als ich mich erholt hatte, räumte ich mein Gepäck ein. Abends gab es eine Lehrerkonferenz, in der ich mich kurz vorstellte. Jezuela zeigte mir das gesamte Gelände.

Ich verstand mich sofort gut mit ihr. Schon am Donnerstag, den 06. September, schlug sie spontan vor, ich könne bei ihr übernachten. Der Einrichtungsleiter, der hier die Verantwortung für mich hat, war einverstanden damit – sie war seine erste Animatorin (ehrenamtlich) und arbeitet auch dort. Ihre Familie hat mich sehr gastfreundlich aufgenommen – und zwar von ganzem Herzen. Auch am folgenden Wochenende habe ich mich mit Jezuela getroffen und Freunde von ihr und ihre Verwandtschaft kennengelernt.

Ihre Familie trifft sich am Sonntag immer zum Essen, Teetrinken und einfach gemeinsam Zeit verbringen. Eine schöne Sache, wie ich finde. Die Verwandschaft scheint ihnen sehr nahe zu stehen, wie Geschwister. Auch sie haben mich herzlich begrüßt und waren erfreut, mich als Gast zu haben. Hier sind Ausländer schließlich recht selten. Die Einheimischen können leider oft auch kein Englisch oder trauen sich nicht, es zu sprechen, obwohl die jungen Leute es in der Schule lernen. Ich habe mich aber auch schon mit zwei etwa fünfzehnjährigen Schülerinnen unterhalten, die sehr gut Englisch sprechen können. Deutsch spreche ich zum Beispiel mit zwei Schülerinnen, die in Deutschland beziehungsweise der Schweiz aufgewachsen sind. Außerdem spreche ich Deutsch natürlich auch im Unterricht.

Apropos Unterricht – darum wird es in meinem nächsten Beitrag gehen.

Bis dahin, eure Bettina (die sich hier schon längst wie zu Hause fühlt)

2 Gedanken zu „Herzlich Willkommen im Kosovo!

  1. Hallo Bettina, bist du noch hier? Ich heißeDaniela und bin aus Würzburg! Ich lebe seit 2011 in Gjilan und arbeite seit 2016 bei Prof. Elhami Ismaili in Gjilan und gebe Deutschkurse! Ich lebe in Malishevë bei Gjilan!
    Vielleicht möchte meine Tochter nächstes Schuljahr nach Don Bosco gehen, sie besucht z.Z. die neunte Klasse!
    Interessant was du geschrieben hast!
    Deine Daniela

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