Benin Begegnen

BUNTerwegs im Westen Afrikas

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Wahre Helden tragen keine Flügel, sondern Körbe

„I’m not saying, I’m Batman. I’m just saying no one has ever seen Me and Batman in a Room together“

So lautet die Aufschrift eines T-Shirts. Ist es stolz auf seine Aufschrift? Findet es sie egoistisch, oder schämt es sich gar dafür? Das hängt wohl davon ab, wer das Oberteil trägt. Diese T-Shirt jedenfalls, von welchem ich spreche, hat in seinem Leben vielleicht schon die ganze Welt gesehen, viele Träger gehabt.

Entworfen in Europa, produziert in Asien, verkauft in Amerika, für kurze Zeit getragen von einem pubertären Teenager, bevor es ihm zu uncool wurde. In einer Kiste im Keller verstaut, irgendwann wieder herausgeholt, zusammen mit fünf Paar Schuhen und dem neuen Fußballtrikot des zu schnell gewachsenen Sohnes in den Altkleidercontainer ums Eck geworfen. Verschifft nach Afrika, am Containerhafen von Cotonou von Bord geholt, mit 60kg anderen Klamotten in einen Sack gepackt und für die nächsten Wochen und Monate am Rand des Marktes „Dantokpa“, vielleicht in einem der großen Berge direkt hinter der Rückwand der „Baraque SOS“, gelagert. Irgendwann von einer Verkäuferin ausgepackt, an einem Kleiderhaken befestigt und an ihren Korb auf dem Kopf gehängt, mit welchem sie einem mobilen Kleiderständer ähnelt. Verkauft und schließlich mit Stolz getragen von Amétis*, einem 11 Jahre alten Mädchen auf dem Markt Dantokpa.

Amétis*, während sie über die Dächer des Marktes schaut. Oder zumindest eines Teils davon.

So erfinde ich mir die mögliche Geschichte dieses Oberteiles. So aber auch ganz anders kann es schließlich bei Amétis* gelandet sein. Vielleicht hat sie es auch einfach im Laden ums Eck gekauft oder von einer Cousine geschenkt bekommen. Sicher jedoch ist: Ich kann mir keinen Träger vorstellen, dem die Aufschrift besser stehen würde als diesem Mädchen.

Der Marché Dantokpa

Das pumpende Herz der Stadt Cotonou. Wo genau er anfängt und wo er aufhört, kann letztendlich keiner so genau sagen. Er erstreckt sich über die Grenzen des Viertels „Dantokpa“ hinaus. Im Internet findet man eine Angabe von 20 Hektar. Auch für wie viele Menschen der Markt den täglichen Arbeitsplatz bedeutet, konnte mir bisher noch keiner sagen. Fest steht:

Es sind viele Tausend Menschen. Unter Ihnen, so schätzt eine Mitarbeiterin  der Baracke, mindestens 5000 minderjährige Kinder. Vor allem Mädchen. Etwa 40 bis 80 dieser Mädchen kommen täglich in die „Baraque SOS“, die älteste Einrichtung der Don Bosco Schwestern in Cotonou.

Die „Baraque SOS“ bei der Weihnachtsfeier. Links sieht man den grünen Eingang der „Jungsbaracke“ der Salesianer.

Am Rand des großen Parkplatzes, auf dem bis zum letzten Zentimeter gefüllte Minibusse und Kleintransporter täglich Verkäuferinnen und ihre Ware zum Markt bringen, höre ich schon beim Näherkommen häufig Kindergeschrei oder Trommelrhythmen, die mir in der stehenden Nachmittagshitze entgegenwabern. Dicht gedrängt befinden sich hier zwischen einem Open-Air-Barbier, einem Verkäufer von Autoreifen und einem Kiosk auch die Boxen der Don Bosco Brüder und Schwestern. „Boxen“, dass sind einige Quadratmeter große, Container-ähnliche Räume, aus denen weite Teile des verwinkelten Marktes aufgebaut sind.

Meine Arbeit auf dem Markt

Meine Arbeit in dieser Einrichtung lässt sich mit wenigen Worten zusammenfassen. Das wichtigste davon: Basteln.

Hanna mit einigen Mädchen und einem Endprodukt der heutigen Basteleinheit.

3 Nachmittage der Woche verbringe ich hier. Mal alleine, mal mit der Unterstützung meiner Mitvolontärin (derzeit) Hanna. Und so oder ähnlich läuft ein Nachmittag ab:

„Oh schau mal, da kommen die Yovos“ (Weiße)

„Ahhhh, halloooo“

„Nein Stop, geht wieder, ich will Fernseh schauen!“

„Jaaa, halloo“ (ach komm, ich springe Ihnen einfach mal entgegen und umarme sie. Drei andere folgen lachend und reißen mich fast von den Füßen)

Dann kommt der obligatorische Begrüßungs-Fingercheck mit allen Mädchen. Die Abfolge kann ich mittlerweile wohl im Schlaf.

Handschlag, Faust, Daumen, Schere, Fingerspitzen, Luftkuss

Nächste: Handschlag, Daumen, Schere…

„Gib mir deinen Helm, ich leg Ihn schon mal ab“ (Reißt mir überschwänglich den Helm aus der Hand)

„Och manno, ich will aber Fernseh schauen. Geht wieder! Kommt morgen wieder!“(versucht uns die Stufen wieder nach unten zu schieben, und bekommt dafür erst einmal einen kräftigen Schlag von einem anderen Mädchen auf den Rücken. 

 …Schere, Fingerspitzen, Luftkuss. Dann erstmal die Mitarbeiter begrüßen, an die Rückwand durchkämpfen und Tasche ablegen.

Die erste Rauferei während unserer Anwesenheit entwickelt sich. Die erste weint.

Das Bastelbeispiel aus der Tasche kramen, der Mitarbeiterin zeigen, absegnen lassen. Diese:

„Eja, eja, alle herkommen, an die Tische setzen“

Einige Mädchen fleißig am basteln

Und dann: Basteln.

Die Mädels:

„Eja, Stifte, gib mir Stifte!“

„Mach mir das, ich kann das nicht! Nein, ich kann das nicht. Mach mir das. Ich bin beleidigt. Du bist nicht nett“

„Und mein Kleber, bring mir Kleber, yovooo! Kleber!“

„Yovooo! Komm!“

„Oh, das ist aber schön geworden. Darf ich noch eins machen?“

„Ich will auch noch eins machen“

„Danke Tata, bis morgen“

Temperamentvoll

Das ist wohl das Adjektiv, mit dem sich die Mädchen aus meiner Sicht am Besten beschreiben lassen. Für sie ist es wohl eher: Durchsetzen im täglichen Konkurrenzkampf. Denn so ist das Leben auf dem Markt. Ruppig, unsanft, temperamentvoll. Nein. Sie sind nicht unfreundlich, nicht verbittert, nicht gefühlskalt. Sie feiern das Leben. Sind voller Lebensfreude, sprühen vor Energie.

Die wahren Helden

„Ich sage nicht, dass ich Batman bin. Ich sage nur, noch nie hat jemand Batman und mich zusammen in einem Raum gesehen.“

Die Elfjährige hat dieses T-Shirt getragen, vermutlich ohne selbst die Bedeutung des Aufdrucks zu kennen. Und dennoch hat es mich zum Nachdenken angeregt. Für mich ist sie eine Lebenskünstlerin, eine Heldin, ein Vorbild. Genau wie über 5 Tausend andere Kinder, die sich jeden Morgen voller Lebensfreude auf den Markt begeben. Der Korb auf ihrem Kopf teilweise so schwer, dass ich alleine ihn kaum anheben kann.  Am Ende des Tages, der Brustbeutel mit Münzen gefüllt, genug um sich in der nächsten Mittagspause davon noch bei einem anderen Mädchen eine frische Papaya oder einen kalten Ananassaft zu kaufen.


Lang ist’s her, dass ihr was von mir gehört habt.

Es ist viel passiert in letzter Zeit. Ich war viel unterwegs und viel beschäftigt. Ich hoffe, dass ihr jetzt wieder regelmäßiger Geschichten, Erlebnisse und Gedanken aus Westafrika zu hören bekommen könnt.

Die nächsten Einträge sind zumindest schon in Arbeit.

Annika

PS: Danke, Danke, Danke an alle, die mich in den letzten Monaten mental und finanziell unterstützt haben. Es ist eine wunderschöne, einzigartige  Erfahrung, die ich so nur einmal in meinem Leben machen werde. Ohne euch wäre sie so nicht möglich.  Auch du willst mich und mein Projekt unterstützen? Dann schau mal hier vorbei! Bei Fragen und Anmerkungen melde dich doch einfach bei mir. Infos dazu findest du Hier. Außerdem freue ich mich auch über jeden Kommentar, der unter einem meiner Einträge hinterlassen wird.

*Namen geändert

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Thema von Anders Norén.