Es ist schon wieder mehrere Wochen her. Die Zeit rast vor sich hin wie ein eiliger Motorradtaxifahrer in den überbelasteten Straßen des morgendlichen Cotonous.

Eine Woche waren wir unterwegs. Doch was ist das schon, diese Zeit. Im Leben eines hunderte Jahre alten Baobab wohl nur die Zeit, die eine seiner hölzernen, kernigen Früchte braucht, um von einem der dicken Äste auf den trockenen Savannenboden zu fallen.

Für mich jedenfalls, war diese Zeit voll. Voll von Erfahrungen, Eindrücken und Begegnungen.

Es fällt mir sehr schwer, diese Zeit in Worte zu fassen. Aus diesem Grund möchte ich euch schließlich mit einer klitzekleinen Auswahl an Fotos mitnehmen auf unsere Reise. Zuvor sollen euch einige Stichpunkte, die ich gelernt habe in dieser Woche, einen kleinen Eindruck verschaffen.

Was ich neues dazugelernt habe über Land und Leute:

…Lange Busfahrten sind einfach schöner, wenn dabei andauernd der Sitz auseinander fällt. Für unsere 11 stündige Busfahrt über gute 400 Kilometer in den Norden Benins haben wir pro Person nicht einmal 8,50 Euro (5500CFA) gezahlt. Mitschuld war vermutlich der Zustand unseres Buses. Sitzlehnen, die unkontrollierbar sind, undichte Schiebefenster, durch die man super den Kopf rausstrecken kann, um den Fahrtwind in auf der Kopfhaut, zwischen den „mèches“ (geflochtene Zöpfchen) zu spüren und Sitzpolster, die sich bei jeder Geschwindigkeitsveränderung selbstständig machen und wegrutschen. Wie gut, dass es da noch genügend Mitfahrer gibt, die einem die Fahrt noch interessanter machen. Abgesehen von fahrenden Verkäufern, die den Busreisenden während der Fahrt das Urin irgendwelcher Tiere als Rundum-Heilmittel verkaufen wollen, gab es da beispielsweise noch eine Familie mit zwei jungen neugierigen Mädchen, die überaus interessiert an uns und unseren Kopfhörern waren (siehe Foto 1).

… Es gibt hier tatsächlich hohe Berge. Zumindest im Vergleich zu unserem flachen Cotonou. Im Vergleich zum Schwarzwald sind es eher Sandkuchen auf einem Kinderspielplatz. Aber die rund geschliffenen Riesenfelsen sind dennoch sehr imposant.

Eine alte Frau mit Angst und Spaß an Unbekanntem namens „Fotoapparat“, mit der wir aufgrund von Sprachbarrieren eine lustige Begegnung hatten

… Im Norden des Landes wird einfach alles älter als im Süden. Häuser, Menschen, Bäume, Kulturen. Hier findet man noch traditionelle Lehmhütten, Bräuche, Riten und Religionen, die aus lange vergangenen Zeiten zu stammen scheinen. Dorfkönige, Regenbeschwörungen, Voodoobräuche (und denkt jetzt bitte nicht an Klischee-Puppen, um anderen Schmerzen zuzufügen). Für mich waren besonders die Besuche in diesen alten Dörfern eine eindrucksvolle Erfahrung. Leben ohne Strom. Wenn es dunkel wird, ist es dunkel im Dorf. Noch nie etwas gehört von Internet, Deutschland und den Problemen der westlichen Welt. Für mich zuvor nicht vorstellbar. Jetzt schon. Wenn mir die Infrastruktur Cotonous zuvor vorkam wie die eines deutschen Bergdorfes, so hatte ich in diesen Dörfern das Gefühl, gerade aus einer hochmodernen Millionenstadt Cotonou zu kommen.

  1. …wie viele Autos hier mit normalerweise gerissenen Windschutzscheiben, verrosteten Karosserien und abenteuerlichen Sitzbankinstallationen, um die doppelte Menge der ursprünglich vorgesehene Personenanzahl transportieren zu können, noch tausende von Kilometern zurücklegen, nachdem sie in Europa aussortiert wurden. Nicht selten findet man noch die Beschriftungen und Adressen deutscher Firmen auf den Autos, mitten in Cotonou.

…wie einfach es ist, als Kind keine Schulbildung zu bekommen. Und wie wichtig es ist, welche zu bekommen. Und wie schwierig es ist, die Dörfer zu erhalten, wenn Kinder Schulbildung bekommen und in Städte gehen, um diese zu nutzen. Und wie schlecht es ist für das Land, wenn sie gehen und die Dörfer zerfallen und mit Ihnen die Kultur und ein potentieller, wenn auch fragiler Tourismus des Landes. Und wie komplex dieses Gesellschaftssystem ist, in dem ein Land versucht an Bekanntheit und Einfluss zu gewinnen, seine Wirtschaft zu verbessern und nur sehr wenige mit Einfluss versuchen, tatsächlich ihre Heimat selbst voranzubringen, statt ins Ausland zu gehen, mit Aussicht auf bessere Chancen.

Was mich sonst noch davon abhält, diese Reise zu vergessen:

… Unser unübertreffbarer Reiseführer Euloge, welcher inzwischen traditionell über Silvester diese Tour durch Nordbenin mit den Volontären macht. Ich glaube, wenn man ihn fragen würde, würde er uns jeden Grashalm Benins beim Namen nennen können. Ganz besonders sind seine Pläne und Träume, welche er noch in den nächsten 15 Jahren verwirklichen will um „sein“ Benin zu erhalten. Er leistet wirkliche, direkte Entwicklungsarbeit für das Land und die Leute.

… all die wunderschönen Fotos, die auf dieser Reise entstanden sind. Vielen Dank an dieser Stelle an meine vier mitreisenden Mitvolontäre Hanna, Johanna, Toni & Max für die schöne Zeit.

…Unser Minibus mit unserem Fahrer und unserem Mechaniker, die mit uns zusammen Silvester gefeiert, uns sicher über alle Sandpisten gebracht, mehrfach Hannas bzw. meine auseinander fallenden Flipflops mit Hilfe von PET-Flaschendeckeln professionell repariert haben und ohne die diese Reise so nicht möglich gewesen wäre.

…die wunderschöne und geheimnisvolle Kultur und Natur des Landes, die in den verschiedenen Himmelsrichtungen kaum unterschiedlicher sein könnte.


 


 

Was sonst noch so passiert:

Mal wieder am Kochen…

Was gabs diesmal:

Fast komplikationsloses Essen!

Salate à la Teamwork, Reis, Tomatensauce, gefüllte Paprika à la Annika, Gemüse-Fleisch-Grillspieße à la Hanna, Pudding à la Johanna und alles mit fleißiger Unterstützung zweier mitwirkender Aspirantinnen.

Neue Arbeit, neue Herausforderungen

… Jetzt im „Espace Eveil“ im Viertel Ladji. Dies ist eine Art kostenloser Kindergarten, für Kinder aus sehr armen Familien. Aber dazu ein andermal mehr.

 

Zwischenseminar, wir kommen

Die Zeit rast. Heute vor 5 Monaten sind wir gelandet, habe ich das erste Mal meinen Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt. Und so ist es in einer Woche soweit. Wir werden uns auf eine wohl recht spontane und ungeplante  Reise quer durch zwei Länder, nach Ghana, begeben um dort für eine Woche alle anderen „Don Bosco volunteers“ aus Westafrika wiederzutreffen. Auch wenn dies ein Punkt in unserem Dienst ist, der die Halbzeit markiert und uns sagt, dass wir nicht mehr ewig hier sind, so freue ich mich dennoch auf eine schöne, deutschsprachige Woche mit vielen Erzählungen und Erfahrungsaustauschen.

So wünsche ich auch allen Anderen, in Südamerika, Osteuropa und Indien ein schönes Zwischenseminar.

Und allen in Deutschland gebliebenen einen schönen Start in die Fasnet!

Bis dann

Eure Annika