Bärbel in Bolivia

mein Jahr in Bolivien

Augenblicke eines Monats…

Heute vor genau einem Monat bin ich aus dem Flugzeug gestiegen und in Santa Cruz angekommen. Ich habe meinen Freunden und meiner Familie Tschüss gesagt und mich auf in das große Abenteuer gemacht. Das kommt mir einerseits schon ewig her vor, gleichzeitig scheint es mir als wäre es gestern gewesen. Dieser Monat ist für mich gefüllt von vielen kleinen unglaublichen Augenblicken. Augenblicke, die ganz verschiedene Gefühle in mir hervorgerufen haben. Ein paar Momente möchte ich herausheben und somit Bilanz des Monats ziehen.

Einen Augenblick, der mich glücklich gemacht hat: Im November ist Firmung hier für die älteren Jungen im Hogar. Einer der Jungen hat mich gefragt, ob ich ihn an seiner Firmung nach vorne begleiten möchte. Seine Patin ist eine ehemalige Volontärin aus Deutschland, die logischerweise nicht hier sein kann. In dem Moment habe ich mich total gefreut, dass dieser Jungen mich als Ersatz ausgesucht hat für seine Patin.

Einen Augenblick, der mich traurig gemacht hat: Mich macht es traurig, wenn ich realisiere wie alleine die Jungen sind. Sie haben keine Eltern, die sie abends ins Bett bringen oder sich über den ersten ausgefallenen Milchzahn freuen. Mit einer oder zwei Erzieherinnen für 42 Jungen sind die Möglichkeiten für enge Beziehungen eingeschränkt.

Einen Augenblick, der mich beeindruckt hat: Wenn ich jeden Abend die Jungen ins Bett bringe, gehe ich an jedes Bett und wünsche ihnen eine Gute-Nacht. Die Jungen möchten fast alle, dass ich ihnen ein kleines Kreuz auf die Stirn mache zum Segen. Dann geben sie die Geste zurück und zeichnen auch mir ein Kreuz auf die Stirn. Dieser kleine Moment von Zuneigung und alltäglichem Glauben hat mich sehr beeindruckt.

Einen Augenblick, der mich zum Lachen gebracht hat: An einem Tag haben wir mit den Kindern Armbänder geknüpft im Hogar. Ich saß auf einem Hocker, um die Bänder zu verteilen. Leider stand aus dem Hocker ein Nagel heraus, so dass meine Hose gerissen ist. Alle Kinder fanden es sehr amüsant, wie ich mit meinem Loch in der Hose rumgelaufen bin. Einer der älteren Jungen hat dann versucht mit einem Faden, der eigentlich zum Armbandknüpfen verwendet wird, das Loch zuzubinden. Der Anblick war echt sehr lustig.

Einen Augenblick, der mich überrascht hat: Letzten Sonntag habe ich zum ersten Mal in der Messe die Band mit meiner Klarinette begleitet. Vorher habe ich ein paar Mal mit ihnen geprobt und, um ehrlich zu sein, fiel es mir sehr schwer. Sie haben hier keine Noten wie bei uns und ich muss viel improvisieren. Daher hatte ich nicht so große Lust in der Messe zu spielen, doch überraschenderweise hat es mir echt unglaublich viel Spaß gemacht. Ich fand es einen schönen Moment für die Kinder zu spielen.

Einen Augenblick, in dem ich mich sehr deutsch gefühlt habe: Wir Volontäre aus dem Hogar waren eingeladen bei dem Geburtstag einer der Erzieherinnen. Wir sind mit ihnen in ein Restaurant gegangen. Dort lief extrem laute Musik und nach einiger Zeit haben die ganzen Erzieherinnen angefangen auf der Tanzfläche zu tanzen. Das war uns etwas unangenehm und wir blieben sitzen. In diesem Moment wurde mir der Unterschied des Lebensgefühl doch sehr deutlich. Als Deutscher ist man einfach etwas befangener in der Hinsicht.

Einen Augenblick, den ich so nie in Europa erlebt hätte: Letzte Woche war ich mit zwei der Volontäre aus Mano Amiga im Fussballstadium. Die zwei Mannschaften von Santa Cruz haben gegeneinander gespielt. In Europa wäre ich erstens niemals ins Fußballstadium gegangen (meine Begeisterung hält sich dafür in Grenzen) und zweitens hätte ich nicht eine so ausgelassene und fröhliche Stimmung erlebt. Und das obwohl es drei gelbe Karten und eine rote Karte gab und der Krankenwagen drei mal kommen musste.

Etwas Neues was ich diesen Monat gelernt habe: Erst einmal habe ich ganz viel Spanisch gelernt, es läuft immer besser mit der Kommunikation. Auch habe ich gelernt die Tage so zu nehmen, wie sie kommen. Es ist hier einfach nie 100% alles planbar und ich habe gelernt das zu akzeptieren. Öfters musste ich meinen deutschen Planungsinstinkt etwas unterdrücken.

Etwas was ich mir für den nächsten Monat wünsche: Ich wünsche mir die Jungen noch besser kennenzulernen: Mehr zu verstehen woher sie kommen und was sie zu den Menschen gemacht hat, die sie jetzt sind.

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1 Kommentar

  1. Lena

    Liebe Bärbel,
    nach deinem Artikel zu urteilen, scheint es dir gut zu gehen. Schön, dass du die Zeit genießt und so viele positive Momente erlebst. Du und die Jungs werdet euch in den kommenden 11 Monaten noch besser kennen lernen und gegenseitig ins Herz schließen.
    Alles Gute, besos y abrazos! 😉

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