Die Zeit vergeht wie im Flug

Hallo meine Lieben!
Lange ist’s her. Was ist geschehen in den letzten eineinhalb Monaten? Es waren da einmal Karfreitag und Ostern, was wirklich groß gefeiert wurde. An Ostern konnte man wirklich an jeder Straßenecke Musik hören, und getanzt wird prinzipiell überall wo Musik zu hören ist. Ich war nachmittags bei den Mädchen und habe mit ihnen gefeiert, getanzt und abends bin ich zweimal um die Ecke gebogen und bin im großen Jungenfoyer Immaculée gelandet, wo auch die Jungen aus dem Empfangsfoyer Ignace waren. Dort wurde groß zusammen gegessen und anschließend auch noch lange getanzt.

Das letzte Mal habe ich erzählt, dass ich mit den Mädchen nach dem Fußballspiel ins Centre Don Bosco gefahren bin, wo ich auch wohne und wo man super Basketball spielen kann. Das ist mittlerweile schon fast Gewohnheit. Die Mädchen sind schon immer abfahrbereit, wenn ich am Samstag- und Sonntagnachmittag bei ihnen ankomme.  Mittlerweile nehme ich auch manchmal Nachbarkinder mit, die mit den Kleinen im Foyer spielen. Im Centre können dann die Größeren (12-17 Jahre) Basketball spielen, während die Kleinen (4-8 Jahre) einen Gummiball haben, oder sich einfach auf dem Gelände austoben.  Sehr oft male ich ihnen auch Ausmalbilder. Letzte Woche durften die Kleinen mit meinem Auto jeweils einmal im Kreis fahren – oder zumindest lenken 😉

In der Baracke habe ich Abwechslung zu Kartenspielen gefunden: als ich an einem ruhigen Tag mal die Initiative ergriffen habe und unseren chaotischen Schrank komplett ausgeräumt habe (ich glaube das Spielefach hat man abgesehen von Legosteinen seit Monaten/Jahren nicht mehr wirklich angerührt) habe ich da super Sachen gefunden: Plakatfarben, Fingerfarben, 4-Gewinnt, ein Riesen-Dame-Brett, Dominosteine… jedenfalls habe ich gleich die eingetrockneten Farben ausgepackt und mit Wasser wieder benutzbar gemacht. Irgendwann kamen ein Junge und ich auf die fabelhafte Idee zu schminken. Gesagt, getan. Jetzt kann man ab und zu ein paar Kinder auf der Straße mit Länderflaggen, Tigergesichtern oder Drachen  im Gesicht herumlaufen sehen.
Demnächst will ich ein Plakat mit den Handabdrücken der Kinder machen. Das kommt dann an die Wand gegenüber meiner mittlerweile aufgehängten Alphabet-Bildern:-)

Was ist abgesehen vom Projekt in Kara sonst so los?
Mir hat diese Woche ein Freund erzählt, dass er einen Bekannten im Gefängnis besucht hat. Was er angestellt hat? Naja, eigentlich nichts. Er ist Moslem und war am Freitagmittag vor einer Woche nichtsahnend in der Moschee (Freitagmittag bei den Moslems kann man mit Sonntagvormittag bei den Christen vergleichen: jeder geht zum Beten). Es war so voll, dass die Leute bis auf die Straßen standen. Als ein Auto mit einem Chef (traditioneller Kabyé, voodoogläubig) vorbeikam und gehupt hat, damit die Leute Platz machen, und als dann der Chef auch noch ausgestiegen ist, haben ihm anscheinend ein paar wenige Leute seine Kappe (das ist anscheinend fast wie eine Krone) vom Kopf gerissen und auf den Boden geschmissen und angefangen auf ihn einzuschlagen. „Ça c’est grave!“ – Das ist heftig! Als die Polizei angekommen ist, sind die Täter natürlich schon weg und die Polizei nimmt einfach mal so vier Leute fest. Einfach um jemanden festzunehmen. Diese Leute kommen ohne Gerichtsprozess ins Gefängnis für unbestimmte Zeit. Einer ist mittlerweile wieder frei, drei sitzen noch immer ungewiss über ihre Zukunft. Durch die Festnahme ist die Sache längst nicht gegessen: die Ehre vom traditionellen Chef, der bei den Kabyé fast wie ein kleiner Gott angesehen wird, ist angekratzt und es gibt Leute, die ihn sozusagen rächen wollen. Aus dem Grund wurde  die große Moschee, wo der Vorfall stattfand, am nächsten Freitag von der Polizei bewacht und es fand kein Gebet statt. Wie die Sache sich jetzt weiter entwickelt, weiß man nicht. Ich selbst habe bis jetzt keine außergewöhnlichen Auseinandersetzungen auf der Straße mitbekommen, also hält sich das anscheinend in einem kleinen Kreis.

Weiter geht’s mit dem 11.Mai: hier fast wie ein Feiertag, seit einem Monat sprechen manche davon. Am 11.Mai…? Was war da nochmal? In Deutschland ziemlich unbedeutend, der Todestag von Bob Marley. Alle Rastafari und Reggae-Fans feiern diesen Tag. Also bin ich am Abend mit ein paar Leuten ein bisschen rausgegangen; die Bars waren total überfüllt, überall wurde Reggae gespielt, die Leute sind mit Dreadlocks-Perücken herumgelaufen und es war echt alles ein bisschen verrückt 😉 Wir sind dann auch in eine kleine Disco (in den Discos hier hängen übrigens Spiegel an der Wand) und es wurde sogar „Happy Birthday“ für Bob Marley gespielt/gesungen. Ein paar sind dabei auf die Knie gegangen und haben eine Kusshand in den Himmel geschickt. Warum man am Todestag den Geburtstag feiert, sei mal dahingestellt, aber es war auf jeden Fall ein super Abend:-)

Meine erste Malaria habe ich jetzt auch momentan. Ich habe ja gehofft ich schaffe es ein Jahr ohne, aber das ist anscheinend nicht so wirklich möglich. Alles halb so schlimm, ich hatte nur einen Tag ein bisschen Fieber und bin seit einer Woche etwas schlapp. Aber nachdem man hier ja sofort drauf reagiert, bekommt man gleich Medikamente und alles, also viel Lärm um Nichts. Außerdem wird man hier als Kranke gut umsorgt;-)
Alles in Allem geht’s mir also wirklich gut hier!

Ich sende euch ganz liebe Grüße,
à bientôt, eure Anna

Vorheriger Beitrag

Zurück in Kara

Nächster Beitrag

Man nennt mich „Straßenkind“.

  1. desireevonkunsberg

    Ich wünsche Dir gute Besserung!
    Viele Grüße aus Bonn !
    Desiree

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kommentarformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an info@donboscomission.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Läuft mit WordPress & Theme erstellt von Anders Norén