Bonjour, je m’appelle xy. Ich bin 13 Jahre alt.
Meine Mutter war die erste Frau meines Vaters, doch er hat zusätzlich noch zwei andere Frauen geheiratet. Dadurch wurde meine Mutter uninteressant für ihn – und ich auch, denn ich bin ja nur das Kind der Frau. Sie ist früh gestorben, und im Haus hat das Geld und damit das Essen nicht mehr gereicht. Das bisschen, was sie auf dem Markt verdienen konnte, hat für mich noch gereicht. Aber jetzt? Sie haben mich weggeschickt. Was bleibt ihnen auch anderes übrig, wenn sie mich nicht mehr ernähren können? Die anderen Kinder sind alle noch jünger, ich kann mich ja schon alleine durchschlagen…
Ich wusste erst nicht wo ich hin und was ich tun sollte. Ich habe anfangs versucht zu betteln, was ziemlich erfolglos war. Bald habe ich angefangen auf dem Markt ein paar Sachen mitgehen zu lassen, damit ich ein bisschen was im Magen hatte, aber Stehlen ist eigentlich nicht mein Ding. Einmal hat mich auch eine Frau erwischt, und hat angefangen auf mich einzuschlagen. Es haben viele Menschen gesehen, aber anstatt dass sie mir geholfen hätten, haben sie nur rumgeschrien und mich zusätzlich beschimpft. Naja, im Prinzip haben sie ja Recht, man weiß, dass Diebe verachtet und geschlagen werden, aber der Hunger treibt einen einfach dazu. Ein Bandit… so einer wollte ich nicht sein. Stehlen war also keine Dauerlösung. Ich habe angefangen für die Marktfrauen ein bisschen zu arbeiten und habe so mein Geld angefangen zu verdienen. Seitdem ich ein paar andere Straßenkinder kennengelernt habe, bin ich auch manchmal zum Eisen suchen gegangen. Wenn man das dann verkauft, bekommt man für 1kg 75CFA, das sind ungefähr 12Cent. Damit kann man auf dem Markt mit Glück schon eine alte gebrauchte kurze Hose kaufen. Mit 25CFA, also 4Cent, bekomme ich auch schon ein bisschen was, z.B. einen halben Liter Trinkwasser oder verschiedene Gebäcke.
In der Mittagshitze los zum Baden im Fluss. Mit den Jungs rumtollen. Machen was man wollte. Wenn man Hunger hatte los zum Arbeiten und Essen kaufen. Wenn man müde war, hinlegen und schlafen.
So habe ich ungefähr zwei Monate vor mich hingelebt…
Bald hatte ich die Möglichkeit ins Empfangsfoyer Ignace von Don Bosco zu kommen. Da habe ich mit ein paar anderen Jungs zusammengelebt. Eigentlich mag ich das Gruppenleben nicht sonderlich, ich schlag mich lieber alleine durch. Man weiß selten wem man wirklich vertrauen kann und wem nicht. Eigentlich ziehen wir ja alle an einem Strang, aber hinter dem Rücken wird oft geredet. Wir kommen alle von der Straße, jeder denkt ans Durchkommen und an den eigenen Vorteil. Diejenigen, die länger auf der Straße waren, mehr, die anderen weniger, aber alle ein bisschen.
Bevor ich mein altes Zuhause verließ, habe ich die CM2 gemacht. Das ist die letzte Klasse in der Grundschule, bevor man aufs Collège gehen kann. Ich war der Beste in meiner Klasse. Die Betreuer im Foyer meinten, sie geben mir die Chance das Schuljahr in der normalen Schule zu beenden, weil ich nur zwei Monate verpasst habe. Normalerweise hat man ja im Foyer Ignace nur Privatunterricht, bis das nächste Schuljahr beginnt. Also bin ich mit den Jungs aus dem großen Foyer Immaculée zur Schule gegangen, habe aber mit den anderen Jungs im kleinen Foyer Ignace gelebt. D.h. wenn ich gegen 17:00 Uhr von der Schule fix und fertig heim gekommen bin, waren die anderen im kleinen Foyer schon längst dabei zu spielen. Manchmal haben sie von der Köchin im großen Foyer Nüsse geschenkt bekommen, weil sie bei irgendetwas geholfen haben, während die „Großen“ in der Schule waren. Sie haben die Nüsse unter sich aufgeteilt und haben mir nichts abgegeben, weil „ich nichts gearbeitet habe“. Ist Lernen denn kein Arbeiten? Ich musste mich dann während der Spielzeit schnell waschen und direkt danach schon wieder weg zum Lernen ins große Foyer. Zu Fuß braucht man ungefähr 7 Minuten von einem Foyer ins andere.
Irgendwann haben die Betreuer gesagt, ich soll meine Sachen packen, ich kann ins große Foyer ziehen. Sie meinten es ist für mich weniger stressig wegen dem hin und her pendeln und der Gesamtsituation…
In derselben Nacht bin ich abgehauen. Seit ein paar Wochen lebe ich jetzt wieder auf der Straße. In der Mittagshitze los zum Baden im Fluss. Mit den Jungs rumtollen. Machen was man will. Wenn man Hunger hat los zum Arbeiten und Essen kaufen. Wenn man müde ist, hinlegen und schlafen.
Ich will nicht wieder zurück ins Foyer. Warum nicht? Das sage ich keinem.
Ulla
Liebe Anna, Dein Text hat mich nachdenklich gemacht- und neugierig… Er passt in jedem fall gut um ihn in der rubrik Lebensgeschichten aufzunehmen. Können wir das? Wir ändern immer den Namen ab, vielleicht schickst du uns einen Namensvorschlag?
https://blogs.donboscovolunteers.de/themen/infos/lebensgeschichten/
Ich leite übrigens den BereichBildung und Freiwilligendienste bei Don Bosco Mission- und lese immer wieder gerne aus Togo!
Eine gute letzte Zeit für Dich!