So, nach langem Stillschweigen gebe ich mal wieder ein Lebenszeichen von mir 🙂
Die Schule läuft jetzt seit fünf Wochen und ich durfte endlich meine ersten Unterrichtsstunden halten. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich direkt nach meinem Abi in einer Schule als Lehrerin lande und ausgerechnet als erstes Geschichte und Mathe unterrichte?! Ich jedenfalls nicht 😉 Naja, die Klasse in der ich war, war ziemlich ruhig. Aber das trifft wirklich nicht immer auf alle Klassen zu. In der Zeit, in der wir dem Unterricht in verschiedenen Klassen (bis zu 45 Schüler/innen) zugeschaut haben, war es schon oft unruhig und es gibt, genau wie in allen anderen Ländern, auch die berühmt berüchtigten „Klassenclowns“, die extrem hyperaktiv sind und nicht auf einer Stelle sitzen bleiben können. Allerdings werden die nicht gleich mit ADHS abgestempelt 😉 Also es ist nicht so, wie in Deutschland noch viele sagten: „In Afrika sind bestimmt alle Kinder brav, weil sie wissen, dass man lernen muss, wenn man später Geld verdienen will…“. Ja, sie sind schon leiser, aber das kann auch daran liegen, dass sie manchmal einfach noch eins mit dem Stock übergebraten bekommen, wenn sie nicht aufpassen! Obwohl es laut Lehrern und Direktor verboten ist… Genau wie Handys: das bedeutet, dass das Handy auf Vibration gestellt sein muss. Das wurde alles in der Lehrerkonferenz besprochen, die an einem Vormittag vor ein paar Wochen stattfand, während die Schüler in den Klassenzimmern waren. Da wurden Cara und ich übrigens zu Hygienebeauftragten ernannt… Joaa gut, wo fangen wir an? Wie wär’s mit vor Schulbeginn erst mal Massen-Waschen? 😉 Die Mütter, die in der Pause ihr Essen auf dem Schulhof verkaufen, benutzen als Servietten beschriebene Heftseiten… oder die Kreide, die die Kinder noch für ihre kleinen Schreibtafeln benutzen, landen auch manchmal im Magen… also nicht wundern, wenn ein Kind mit weiß, blau, oder grün verschmiertem Gesicht herumläuft 😉 Schmeckt‘s? Ich weiß es nicht und will es ehrlich gesagt auch nicht ausprobieren, aber den Kindern zufolge… Jedenfalls macht die etwas unterschiedliche Auffassung von „Hygiene“ die Aufgabe etwas schwierig, wenn nicht sogar unmöglich!
Was ich im Unterricht neu gelernt habe in der Zeit? Es gibt 6 Vokale! Y gehört auch dazu… Klar, wieso auch nicht?!
Übrigens kamen in letzter Zeit zwei Weiße in unser Dorf! Ja wirklich, das ist richtig besonders 🙂
Wir saßen nichts ahnend im Klassenzimmer, als plötzlich ein weißer Jeep auf den Schulhof fuhr. Das ist schon nicht ganz normal… als dann auch noch eine weiße Frau und ein weißer Mann ausstiegen, standen wir genau wie die Kinder am Fenster 😉 Es waren Franzosen, die von einer Organisation waren und den Kindergartenkindern Spielsachen gebracht haben… Sie schienen genauso überrascht zu sein, in dem Dorf zwei junge Weiße anzutreffen, die erzählten, dass sie hier für ein Jahr leben würden und es war mal wieder ganz nett, mit Leuten zu reden, die keinen togoischen Akzent hatten 😉
So, nachdem wir unter der Woche immer in der Schule sind, haben wir uns an den Wochenenden ab und zu etwas gegönnt und sind nach Lomé und letztes Wochenende nach Kara gefahren. In Lomé haben wir uns ein Fußballspiel Togo gegen Gabon angesehen. Was lernt man daraus? Nicht nur alles andere, sondern sogar Fußballspiele laufen hier anders ab! Nachdem wir uns, ohne Taschenkontrolle oder sonstiges, Plätze gesucht haben, und den Spielern beim Einspielen zugesehen haben, kam der Einsatz des Militärs: im Orchester! Ja, richtig gelesen! Im Gleichschritt ist ein Militärorchester über den Rasen marschiert und hat seine Musik erklingen lassen. Nur leider konnte man in dem vollen Stadium fast nichts davon hören 😉 Ja, dann waren da während dem Spiel noch viele Frauen, die herumgelaufen sind und ihre Bananen verkauft haben… und nach einem spannenden Spiel (wir haben natürlich gewonnen!) sind die ganzen Zuschauer von den Tribünen aufs Feld hinuntergesprungen und haben angefangen zu feiern, während die Spieler ebenfalls noch auf dem Feld waren! Unmöglich in Deutschland, aber hier schien das ziemlich normal zu sein. Das Militär (oder Polizei?? Die laufen nämlich ziemlich gleich herum) hat die Spieler in einem Kreis in Richtung Umkleide gebracht und alles war gut. Beim Hinausgehen kam die nächste Überraschung: Der Präsident, der natürlich auch da war, ist einfach so mit dem Auto aus der Garage hinausgefahren und durch die komplette Menschenmasse durch. Wir standen nur wenige Meter von ihm entfernt. Und das alles ohne jegliche Kontrolle. Mutig, mutig!
An einem Nachmittag haben wir uns einen Eintritt für das Schwimmbad eines Merkur-Hotels geleistet. Dort haben wir gefühlt die „Elite Frankreichs“ (sie haben wirklich fast alle Französisch gesprochen!) angetroffen. Während Togo eines der ärmsten Länder der Welt ist, steht mitten in Lomé ein Hotel, dessen Übernachtung für eine Nacht 130€ und mehr kostet… dafür verbringen die Gäste ihren Urlaub an einem tollen großen Pool unter Palmen, auf Tennisplätzen und an einem eigenen Strandstück, das man direkt vom Hinterausgang(!) des Hotels aus betreten kann. Für die Kinder gibt es gleich fünf Hüpfburgen und außerdem gibt es noch ein wunderschönes Restaurant. Das Leben scheint also völlig sorgenfrei und man muss gar nicht mehr die Straßen betreten um etwas unternehmen zu können oder sich Essen zu kaufen! Sogar einen Nachtclub gibt es im Keller. Warum macht man einen Luxusurlaub in Togo?? Diese Frage bleibt (zumindest für mich) ungeklärt… wir haben den Nachmittag als „Urlaub von Togo“ angesehen und sind wieder in unser Dorf Anyron zurückgereist, in dem sich die Leute sehnlichst wünschen, etwas von ihrem eigenen Land sehen zu können…
Was ich auch nicht verstehe, ist der Brauch Priester und Bischöfe zu beschenken. Sei es bei der Firmung oder beim Abschied von einem Priester, weil er Pfarrei wechselt – die Geistlichen, die hier ohnehin wirklich richtig gut leben, können sich nach so einer Messe wahrscheinlich einen Monat lang ernähren (sie bekommen wirklich alles von lebenden Hühnern bis Toilettenpapier), während die Kirchenbesucher ihr weniges Hab und Gut ankratzen. „Aber das gehört sich so!“. Tja, wie die Traditionen es eben wollen…
Apropos Traditionen: nächstes Wochenende sind wir auf einer Hochzeit in Ghana eingeladen. Ich bin gespannt was das bringen wird und lasse bestimmt bald wieder von mir hören 😉
Ach, fast hätte ich’s vergessen! Ich bin das erste Mal selbst Motorrad gefahren; Führerscheine werden definitiv überbewertet! Es kann auch mal vorkommen, dass Motorräder auf dem Dach von Minibussen mit kompletter Überladung transportiert werden. Und ich habe mir Rastas machen lassen… teilweise etwas unpraktisch die Dinger, aber mal ganz nett auszuprobieren 😉
Ganz liebe Grüße aus dem immer heißer werdenden Togo in das immer kälter werdende Deutschland! Eure Anna
Ela
Rastas?! wie cool ! Anna wir müssen skypen 😀 ! du bist immer für überraschungen gut! … vorallem dass du mathe unterrichtest 😉 schön von dir gehört zu haben <3
Ruth Witte
Liebe Anna,
erst spät haben mein Mann und ich deinen Blog entdeckt. Wirhaben deine Berichte mit großem Interesse gelesen. Sie lesen sich sehr gut, man hat den Eindruck, direkt dabeizusein. Deine Fotos sind beeindruckend!!!! Schauen ab jetzt regelmäßig bei dir herein. Freuen uns schon auf Fotos von der ghanaesischen Hochzeit.
Viele Grüße aus dem trüben Norddeutschland,
Ruth