Eine Reise voller Chai, Chaos und kleiner Wunder

Seit meinem letzten Blogeintrag ist unglaublich viel passiert. Es gab so viele Herausforderungen und Veränderungen, dass ich mich aktuell in einer komplett anderen Situation befinde als damals.

Zunächst fand im Februar das Zwischenseminar statt. In diesem Seminar kamen alle Freiwilligen aus dem Bereich Indien und Sri Lanka zusammen. Wir tauschten uns über unsere Erfahrungen und Probleme aus. Besonders genoss ich es, endlich mal wieder mit Menschen aus meinem Kulturkreis zusammen zu sein. Nach diesem Seminar wurde mir klar, wie groß der Unterschied ist, mit Menschen der eigenen Kultur zu kommunizieren – um sich verstanden zu fühlen und selbst zu verstehen. Die indische Kultur unterscheidet sich stark von der deutschen, und das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch Mimik, Gestik und die Bedeutung hinter den Worten. Ein typisches Beispiel ist das indische Kopfwackeln. Als wir am Anfang in Goa die Jungs ansprachen und ihnen Fragen stellten, kam dieses Kopfschütteln oft als Antwort. Ich wusste damals nicht, ob es Ja oder Nein bedeutete – und nachdem ich nachfragte, wusste ich es immer noch nicht. Sie erklärten mir, dass es auf die Situation ankommt und sowohl Ja als auch Nein heißen kann. Inzwischen kann ich das Kopfwackeln ganz gut interpretieren – und verwende es selbst.

Ein Abendessen im Kinderheim der jüngeren Jungs

Einige Zeit nach dem Seminar entschieden sich Klara und ich dazu, nicht länger in Goa zu bleiben. Grund dafür waren verschiedene Vorfälle und Zustände. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir auch, unseren Urlaub eine Woche früher als geplant zu beginnen.

Eine Statur in Hyderabad welche wir während des Seminars betrachteten

Zuerst besuchten wir den Ort Agoda, der noch in Goa liegt. Dort blieben wir eine Woche, genossen den Strand, das Essen und die Natur. Außerdem besuchten wir den bekannten Agoda Flohmarkt. Auf diesem Markt verkaufen Menschen aus allen Teilen Indiens Waren, vor allem Schmuck, Textilien und Kleidung. Wir hatten Glück – es war der letzte Flohmarkt der Saison, sodass wir gute Preise aushandeln und einige Schnäppchen machen konnten.

Nachdem wir genug Kraft getankt hatten, starteten wir unsere ursprünglich geplante Reise. Als erstes ging es nach Mumbai. Dort besuchten wir das Gateway of India, ein riesiges steinernes Denkmal in Form eines Bogens, sowie die Elephanta Caves, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Es handelt sich um eine Gruppe von Felshöhlen auf einer Insel, die man nur mit einer 30-minütigen Fährfahrt erreicht. Die Höhlen sind tempelartig aufgebaut und enthalten mehrere Skulpturen und kunstvolle Verzierungen. Rund um die Höhlen sind viele Affen unterwegs, weshalb wir gut auf unsere Sachen achten mussten – es passiert häufig, dass Affen versuchen, einem etwas Essbares oder Brauchbares zu klauen. Da wir schon einmal in Mumbai waren, besuchten wir auch gleich unsere zukünftige Einsatzstelle, welche zu unserem Glück in dieser schönen Stadt liegt.

Mit dem Nachtbus ging es weiter nach Udaipur. Diese Stadt hat mich auf unserer Reise womöglich am meisten verzaubert. Sie liegt in Rajasthan und ist bekannt für ihre verwinkelten Gassen, die Paläste und den See, an dem sie liegt. In dem See befinden sich Tempel und ein Palast, und auch die Stadt selbst hat einen prachtvollen Stadtpalast. Wir besichtigten diesen Palast und schauten uns eine Tanzshow an. Neben all dem lernten wir viele unglaublich liebe Menschen kennen. Wir wurden nicht selten auf einen Chai und ein langes philosophisches Gespräch eingeladen. So verbrachten wir einen Großteil unserer Zeit damit mit Menschen zu reden und Tee zu trinken.

Im Palast

Leider erwischte mich in Udaipur eine Lebensmittelvergiftung, und wegen Dehydrierung mussten wir schließlich ins Krankenhaus. Dort blieb ich eine Nacht und zwei Tage. Dieser Vorfall durchkreuzte unsere Reiseplanung, und wir mussten länger als geplant in Udaipur bleiben. Deshalb fiel unser Besuch in der rosa Stadt Jaipur aus, und wir buchten stattdessen einen Bus, der uns direkt nach Jaisalmer brachte, eine Festungsstadt.

Als wir morgens in Jaisalmer ankamen, stellten wir beim Check-in in unser Hostel fest, dass unsere Reservierung storniert worden war. Davon ließen wir uns aber nicht einschüchtern und suchten kurzerhand ein neues Hotel. Dieses war wie viele andere auch in die Festungsmauer von Jaisalmer eingebaut und hatte Zugang zur Mauer, sodass wir nachts einen atemberaubenden Ausblick genießen konnten. In Jaisalmer besichtigten wir die Festung und lernten einen netten Silberschmied kennen. Schon sein Vater war sehr bekannt und steht im Guinness-Buch der Rekorde, weil er mit seinem Blut auf die Haare des Präsidenten mit bloßen Händen dessen Namen schrieb. Der Sohn erhielt einen Preis von der indischen Regierung für seine besonders filigranen Ringe. Diese waren so fein und präzise gearbeitet, dass sie ganze Geschichten erzählten oder alle sieben Weltwunder abbildeten – in erstaunlicher Detailtreue.

Nach Jaisalmer fuhren wir weiter nach Agra, um uns den Taj Mahal anzuschauen. Er ist sehr spektakulär, aber die restliche Stadt hat nicht so viel zu bieten, weswegen wir dort nur kurz blieben.

Danach ging es weiter nach Varanasi, die Stadt der Spiritualität. Bezüglich dieser waren meine Erwartungen sehr hoch, da man schon von so vielen Leuten und Erfahrungsberichten hörte, dass diese Stadt sehr besonders sei und sogar Menschen verändert habe. Vielleicht waren es diese Erwartungen oder die Zeit und der ausgeprägte Tourismus, die meine Meinung änderten. Im Nachhinein denke ich, dass die Spiritualität nicht mehr das ist, was sie mal gewesen sein muss. Sie war auf jeden Fall noch spürbar, aber versteckte sich hinter vielen touristischen Angeboten und dem Versuch, aus dem Ruf der Stadt möglichst viel Profit zu schlagen. Das führte dazu, dass wir vielen selbsternannten Gurus begegneten, die uns Dinge wie Handlesen anboten und die angeblich etwas über uns offenbaren wollten – natürlich gegen Bezahlung. Außerdem trafen wir viele Hippies, die offensichtlich unter starkem Drogenkonsum litten und teilweise die Einheimischen beschimpften, sowie einige Scammer. Auf diese waren wir aber vorbereitet und konnten ihnen mit Leichtigkeit aus dem Weg gehen. Trotz all dem durften wir Teil vieler interessanter Ereignisse werden, die uns zeigten, wie tief der Glaube in dieser Stadt verankert ist und wie sehr die Inder Varanasi schätzen. An einem Abend schauten wir uns eine beeindruckende Zeremonie am Ganges an einem der Ghats an, an einem anderen zeigte uns jemand ein Krematorium und erklärte uns die Rituale und den Glauben, die mit diesen Zeremonien verbunden sind.

Die Zeremonie

Unsere Reise führte uns weiter nach Aurangabad, wo wir uns uralte Höhlen aus dem 6. bis 7. Jahrhundert anschauten. Es war unglaublich beeindruckend, wie groß, reich verziert und zahlreich die Höhlen waren – und noch dazu waren die meisten Steinskulpturen über die Jahrhunderte gut erhalten geblieben. Innerhalb der Höhlen fanden sich zahlreiche Nischen und kleine Räume, und es wird vermutet, dass einst eine große Mönchsgemeinschaft dort lebte.

Als nächstes ging es für uns weiter nach Hampi. Dieses kleine Dorf bot uns endlich wieder Natur und Ruhe, und wir konnten uns vor der Rückreise nach Goa noch etwas erholen.

Zurück in Goa packten wir dann unsere Koffer und machten uns auf den Weg nach Mumbai, wo für uns ein neuer Abschnitt des Freiwilligendienstes beginnen sollte.

In welcher Einrichtung wir hier in Mumbai gelandet sind, erfahrt ihr dann im nächsten Blog. Vielen Dank fürs Lesen!

PS: Ich habe meine Spendensumme leider noch nicht voll und mir fehlen noch 1189 Euro. Ich würde mich deswegen riesig über eure Unterstützung freuen.

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  1. Hallo Adele, hier ist Antonia. Ich bin gerade auf deinen Blog gestoßen und schwelge durch deine Schilderungen sehr in Erinnerungen an meinen Freiwilligendienst und die Reisen in Indien.
    Mittlerweile bin ich Teil einer kleinen Spendengruppe JUJUIN (Jugend für Jugend Indien). Wir treffen uns regelmäßig, erhalten uns so ein kleines bisschen Indien Feeling im deutschen Alltag und unterstützten verschiedene Projekte in Indien.
    Diese finanzieren wir durch unterschiedliche Aktionen. Gerade sind wir an einer neuen Aktion dran. Wir gestalten einen Indien-Kalender mit persönlichen Anekdoten.
    Hättest du Lust auch eine Geschichte dafür zu schreiben? Wenn ja, melde dich doch gerne per Email bei uns (jujuin@donbosco.de). Wir würden uns freuen!
    Schöne Grüße, Antonia

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